von Peter Nowak

Ältere Semester können sich vielleicht noch an den großen Westberliner Studierendenstreik in den Jahren 1988/89 erinnern. Neben dem Lateinamerikainstitut war auch das nach Otto Suhr benannte Institut für Politikwissenschaften an der FU (OSI) eines der Zentren des Streiks vor mehr als 35 Jahren. Doch an einem Teil der Institutsgebäude prangte über Nacht ein neues Kürzel: ISI statt OSI.

Namensgeberin war die linke Journalistin Ingrid Strobl, die 1987 im Rahmen einer bundesweiten Polizeiaktion gegen Gentechnologiekritiker*innen und Feministinnen verhaftet wurde. Ingrid Strobl war schon bei ihrer Verhaftung als linke Journalistin bekannt, die unter anderem in der Zeitung Emma publizierte und Sendungen für den WDR produzierte. Strobl wurde beschuldigt, die Revolutionären Zellen (RZ) unterstützt zu haben. Diese militante Gruppe kritisierte die deutsche Flüchtlingspolitik, die staatliche Reproduktionstechnologie und viele andere Aspekte des BRD-Kapitalismus nicht nur theoretisch, sondern bekannte sich auch zu mehreren Anschlägen.

Ingrid Strobl wurde von der Justiz beschuldigt, einen Wecker gekauft zu haben, der bei einem der Angriffe der RZ verwendet wurde. Sie machte im Prozess zu den Tatvorwürfen keine Aussagen, verteidigte aber die linke Politik. Zudem betonte sie damals, dass neben ihr eben auch Ulla Penselin inhaftiert wurde, was heute oft vergessen wird. Im Zuge des über mehrere Jahre dauernden Prozess gegen Ingrid Strobl übte eine Solidaritätskampagne grundsätzliche Kritik an den repressiven Staatsapparaten und besonders am „Anti-Terror-Paragraphen“ 129a. Nach diesem Paragraphen war auch eine regelmässige Flugschrift benannt, die über zwei Jahre federführend vom Journalisten Oliver Tolmein herausgegeben wurde.

Impulse für die Antisemitismusdiskussion

Ingrid Strobl wurde noch im Gefängnis und in der ersten Hälfe der 1990er Jahre zu einer wichtigen Stimme gegen den deutschen Nationalismus. In den 1990er Jahren lieferte sie auch wichtige Beiträge zur Diskussion über linken Antisemitismus, vor allem in der Monatszeitung Konkret. Es war auch, wie sie immer wieder betonte, eine Selbstkritik. In ihren Texten setzte sich Strobl damals kritisch damit auseinander, dass große Teile der gesellschaftlichen Linken in der BRD der 1970er und 80er Jahre zu der auch sie gehörte, Israel ausschließlich als imperialistischen Vorposten im Nahen Osten, aber nicht auch als Schutzraum der Überlebenden der Shoah und des globalen Antisemitismus gesehen haben.

Strobl beschrieb in ihren Texten diese Doppelrolle Israel. Dabei formulierte sie ihre Texte immer aus der Postion als linke Feministin für Leser*innen in Deutschland und Österreich. Ihr wäre es nie in den Sinn gekommen, linke Jüdinnen und Juden wegen ihrer antizionistischen Positionen in die Nähe des Antisemitismus zu rücken, wie es heute oft geschieht. Daher ließe sich von Ingrid Strobl gerade auch für die aktuelle Debatte zum Verhältnis von Antizionismus und Antisemitismus einiges lernen.

Mitte der 1990er Jahre zog sie sich aus der journalistischen Arbeit zurück. Das lag auch an einigen Männern, die in der damaligen antideutschen Blase die Diskurshoheit mit allen Mitteln gegen eine Feministin wie Ingrid Strobl verteidigten, die auch und vor allem über ihre eigene linke Geschichte schrieb, wenn sie regressiven linken Antizionismus kritisierte.

Bücher über Widerstand von Frauen

Doch Strobl veröffentliche weiter zahlreiche Bücher. Ein zentrales Thema ihrer Bücher war die feministische Selbstermächtigung, der auch bewaffnete Widerstand von Frauen, darunter auch besonders von Jüdinnen. In ihrem letzten Buch erklärte sie ihren Leser*innen, was sie verständlicherweise der Justiz nicht erzählen wollte: Sie hatte den inkriminierten Wecker in dem Bewusstsein gekauft, dass er bei einer Aktion der RZ Verwendung finden könnte.

Ende Januar ist Ingrid Strobl im Alter von 71 Jahren gestorben. Am Politikinstitut in Berlin-Dahlem ist ihr Name längst verschwunden. Dass war Strobls ausdrücklicher Wunsch nach ihrer Haftentlassung. Heute ist im OSI in Berlin-Dahlem, der Nachwuchsschmiede der deutschen Politik, wenig von linken Aktivitäten zu sehen. Vielleicht treffen sich einige, die vor 35 Jahren an der Umbenennung des OSI in ISI beteiligt waren, dort zu einer kleinen Gedenkfeier für Ingrid Strobl.