Hugo Blanco, der peruanische Revolutionär, Bauernführer, ehemalige Parlamentsabgeordnete, Kämpfer für die Rechte der indigenen Bevölkerung und für den Umweltschutz, ist am 25. Juni nach kurzer akuter Krankheit gestorben. Er wurde am 15. November 1934 in Cusco, im indigenen Kernland von Peru, geboren und kehrte immer wieder dorthin zurück. Gleichzeitig war er sein ganzes Leben lang ständig unterwegs, er lebte in mehreren Ländern und wurde von den Machthabenden, die er kritisierte, immer wieder ausgewiesen. Erst im März kam er erneut nach Schweden, abermals wegen der politischen Unruhen nach einem Putsch in seinem Heimatland. Er starb, wie er es sich gewünscht hatte, mit seinen beiden in Schweden lebenden Töchtern Carmen und Maria nahe bei sich.
Hugo war viele Jahre lang Mitglied von Organisationen der Vierten Internationale zunächst in Argentinien, wohin er als junger Student kam, und dann nach seiner Rückkehr nach Peru Ende der 1950er Jahre. Dort nahm er an der Bauernbewegung gegen die grausame, neofeudale latifundistische Herrschaft in den peruanischen Anden teil und spielte eine führende Rolle darin. Die Forderung der Bauern und Bäuerinnen nach Land wurde mit brutaler Unterdrückung beantwortet. Hugo beteiligte sich an der Bildung einer bewaffneten Selbstverteidigung. Bei einer Konfrontation wurde ein Polizist getötet. Hugo wurde vor einem Militärgericht angeklagt, und der Staatsanwalt plädierte für ein Todesurteil, aber schließlich wurde er zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt.
Unmittelbar nach seiner Verhaftung wurde eine internationale Kampagne für die Freilassung von Hugo Blanco gestartet. Hugo selbst hat gesagt, dass die Vierte Internationale jedes Mal, wenn sein Leben bedroht war ‒ und das war in der Tat oft der Fall ‒ die Kampagne zu seiner Rettung angeführt hat. In Schweden wurde er 1968 von Amnesty International zum Gefangenen des Jahres gewählt. Nach der Machtübernahme durch ein vermeintlich fortschrittliches Militärregime in Peru 1970 kam er frei, wurde aber einige Zeit später nach Mexiko deportiert.
Während der Allende-Periode ging Hugo nach Chile, nach dem Militärputsch von 1973 musste er aus dem Land fliehen. Wie viele andere wurde er von dem schwedischen Botschafter Harald Edelstam gerettet und erhielt er Asyl in Schweden. Dies war der Beginn einer langen Beziehung zwischen Hugo und Sozialist:innen, Solidaritätsorganisationen und sozialen Bewegungen in Schweden. Er kehrte mehrmals zurück, um die Familie zu sehen, die er dort gegründet hatte ‒ aber auch immer wieder, nachdem er ausgewiesen worden war oder Peru wegen Todesdrohungen verlassen musste.
In den 1970er und 1980er Jahren wurde er als Vertreter linker Fronten, an denen die peruanische Organisation der Vierten Internationale beteiligt war, in das peruanische Parlament gewählt. 1980 trat er als Kandidat für die Präsidentschaft an.
Während seines Exils in Mexiko lernte er den Aufstand der zapatistischen Bewegung im Jahr 1994 kennen und wurde von ihr inspiriert. Er war begeistert von ihrer Ausrichtung auf den Aufbau der Macht von unten, die sich auf die Traditionen der indigenen Völker stützt. Später nahm Hugo seine Arbeit in der Bauernbewegung in Peru wieder auf. In den letzten Jahrzehnten seines Lebens widmete er sich vor allem dem Kampf für die Rechte der indigenen Völker und für die Verteidigung der natürlichen Ressourcen gegen die Ausbeutung. Er begann mit der Herausgabe der Monatszeitung Lucha Indígena, die sich auf indigene Themen konzentriert und von Hugos Genoss:innen herausgegeben wird.
Hugos Gesundheit war seit vielen Jahre lang angeschlagen. Zu oft war er im Gefängnis von der Polizei und vom Militär geschlagen worden. Im Jahr 2002 wurde er in Mexiko am Gehirn operiert und anschließend in Kuba behandelt. Im Jahr 2019 besuchte er Schweden, der Besuch wurde durch Reisebeschränkungen aufgrund der Covid-Pandemie verlängert. Trotz seines sich verschlechternden Gesundheitszustands nahm er an Klimakundgebungen mit Greta Thunberg und Fridays For Future teil und traf er Aktivist:innen der Organisationen der Sami, eines indigenen Volkes in den nördlichen Teilen von Schweden, Norwegen, Finnland und Russland.
Hugo Blanco ging in seinen politischen Kämpfen keine Kompromisse ein und ließ sich weder von angebotenen Privilegien abbringen noch verführen. So lehnte er beispielsweise Angebote, sich der halbherzigen Landreform des Militärregimes Anfang der 1970er Jahre anzuschließen, strikt ab. Er wandte sich gegen selbsternannte Führungspersönlichkeiten in Parteien und Bewegungen. Hugo betonte, wie wichtig es sei, praktisch in die tägliche Arbeit der Bewegungen eingebunden zu sein und allen Beteiligten zuzuhören. Außerdem besaß er die seltene Eigenschaft, auf die Menschen zuzugehen und sie zu überzeugen. Ein Beispiel dafür ist, wie er sich im Militärprozess an seine Gefängniswärter wandte und erklärte, dass er einen deutlichen Unterschied zwischen ihnen und ihren Vorgesetzten machte. Während seiner Haft und während des Prozesses mussten seine Wärter immer wieder ausgetauscht werden, weil sie zu viel Sympathie für ihn entwickelten. Er war in dramatischen Momenten der Weltpolitik zugegen, und es gelang ihm, aus jedem Kampf strategische Lehren für uns alle zu ziehen.
Im April dieses Jahres veröffentlichte der Bokförläggarna Röda Rummet [ein kleiner politischer Verlag] eine Biografie von Hugo auf Schwedisch, eine Übersetzung des Buchs Hugo Blanco: A Revolutionary for Life von Derek Wall [2018]. Für uns von dem Verlag war es eine besondere Freude, dass das Buch rechtzeitig fertig geworden ist, damit er es noch sehen konnte. Bei der Buchvorstellung in Stockholm Anfang Juni gab es für alle Anwesenden einen intensiven Moment, als Hugo mit einem kämpferischen Gruß per Zoom-Link aus seinem Krankenhausbett in Uppsala teilnahm. In dieser Veranstaltung beschrieben seine Töchter, was Hugo für ihr Leben und ihre gemeinsame politische Arbeit bedeutet hat. Eine der Töchter, Maria, schloss ihren Beitrag mit dem Slogan, der für immer mit der Bauernbewegung in Peru in den 1960er Jahren und mit Hugo Blanco verbunden sein wird:
Tierra o Muerte! Land oder Tod!
26. Juni 2023
Aus dem Englischen und Schwedischen übersetzt von Wilfried
https://internationalviewpoint.org/spip.php?article8143
Maria Sundvall ist Ärztin und Mitglied von „socialistisk politik“ (SP). SP ist die schwedische Sektion der Vierten Internationale und eine Strömung innerhalb der Vänsterpartiet (Linkspartei). Maria Sundvall hat zusammen mit Göran Källqvist Derek Walls Buch Hugo Blanco: en revolutionär för livet (Johanneshov: Röda Rummet, 2023) aus dem Englischen übersetzt.
Ein Buch mit Texten von Hugo Blanco, die zwischen 1969 und 2010 entstanden, liegt auf Deutsch vor: Wir Indios. Der Kampf der Indigenas gegen rassistische Unterdrückung und die Zerstörung ihrer Umwelt, aus dem Spanischen übersetzt von Ulla Varchmin, mit einem Vorwort von Michael Löwy u. einem Beitrag von Eduardo Galeano, Köln: Neuer ISP Verlag, 2011, 175 S., ISBN 978-3-89900-137-2, € 19.80.
Leider nicht ins Deutsche übersetzt wurde der Sammelband mit Texten von Hugo Blanco, in dem der Kampf der Bauerngewerkschaften mit bewaffneten Abteilungen in der Provinz La Convención in den Jahren 1961 bis 1963 dokumentiert und analysiert wurde. Dieses Buch erschien 1972 in den USA auf Englisch (Land or Death. The Peasant Struggle in Peru, hrsg. von Peter Camejo, New York: Pathfinder Press) und in Mexiko (Tierra o muerte, México, D. F. usw.: Siglo XXI).