Lange Trecks von Palästinensern, die nach Hause zurückkehren – ein Steinhaufen, kein Zuhause –, und die Freilassung der restlichen Geiseln haben für einen kurzen Moment einen Hoffnungsschimmer verbreitet. Er hat sich bereits wieder verdüstert. Noch während Donald Trump sich in Jerusalem und im ägyptischen Sharm-el-Scheikh als Friedensapostel feiern ließ, erschoss die israelische Armee fünf Palästinenserkinder.
Phase 1 des sogenannten Friedensplans sieht vor, das Hilfslieferungen nach Gaza nicht mehr behindert und der Kontrollpunkt Rafah geöffnet wird. Das bedeutet noch nicht ein Ende des Krieges. Danach beginnen erst die Verhandlungen über die Voraussetzungen für ein tatsächliches Kriegsende. Eine multinationale Truppe (unter anderem mit arabischer Beteiligung) unter der Kontrolle der USA soll den Waffenstillstand überwachen, allerdings werden darunter keine US-Soldaten sein. Die Truppe soll die palästinensische Polizei unterstützen.
Der 20-Punkte-Plan sieht vor, dass Gaza vorübergehend von einem Übergangsausschuss aus palästinensischen Technokraten verwaltet wird, der unter der Oberaufsicht eines von Trump und anderen Staatsmännern (darunter Tony Blair) geleiteten »Friedensrats« steht. Er soll auch einen Wiederaufbauplan durchsetzen, der angeblich irgendwann »blühende Landschaften« bringen wird, zunächst aber nur eine Sonderwirtschaftszone.
Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) soll reformiert werden und dann die Verwaltung des Gazastreifens übernehmen – allerdings nur eines Teils davon, da ein, in seiner Ausdehnung umstrittener, Teil des Territoriums von Gaza unter israelischer Kontrolle bleibt. Für die Hamas ist keine Rolle in der Verwaltung von Gaza vorgesehen, »weder direkt, noch indirekt, in keiner Form«.
Gaza soll vollständig entmilitarisiert und die »militärische, terroristische und offensive Infrastruktur« zerstört werden (vor allem die unterirdischen Tunnelanlagen).
Ob diese Verhandlungen jemals zu einem Ergebnis führen, steht in den Sternen. Israel hat dem Plan zwar zugestimmt, widersetzt sich aber dem Ansinnen, der PA die Verwaltung von Gaza zu überlassen. Es will zudem einen größeren Teil des Streifens besetzt halten, als der Plan vorsieht (58 Prozent). Die Hamas hat zwar zugestimmt, beansprucht aber dennoch eine Rolle in der Verwaltung von Gaza und akzeptiert nicht, dass sie die Waffen niederlegen soll.
Der Nationale Ausschuss der BDS-Kampagne in Palästina hat den Plan als »koloniales und offen illegales Diktat« zurückgewiesen. Da er aufgezwungen wird, so argumentiert der Ausschuss, ist er nach internationalem Recht nicht rechtmäßig und verstößt gegen die Charta der Vereinten Nationen und »gegen das unveräußerliche Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung und Souveränität«.
Zurecht zieht der Ausschuss die Parallele zur britischen Mandatsherrschaft nach dem Ersten Weltkrieg. Er beruft sich auch auf das Urteil des Internationalen Gerichtshofs vom Juli 2024. Darin wird Israels Präsenz in den besetzten Gebieten rundum als ungesetzlich bezeichnet und ihre Beendigung gefordert. Die Fortsetzung des Widerstands gegen den 20-Punkte-Plan und gegen jede von oben eingesetzte Verwaltung von Gaza sei deshalb rechtlich und moralisch gerechtfertigt, argumentiert der Ausschuss.
Ganz anders die Stellungnahme von Hamas, PFLP und Islamischem Jihad. Sie feiern den Plan als »Teilerfolg auf dem Weg zu Beendingung des Leidens« und als Niederlage der israelischen Politik des Völkermords und der Vertreibung und schreiben dies dem »Durchhaltevermögen der Widerstandskämpfer und unseres gesamten Volkes« und dem Stehvermögen der Verhandlungsdelegation der Hamas in Qatar zu.
Das ist eine unglaubliche Anmaßung. Die Erklärung verliert auch kein Wort des Schmerzes über das reale Leiden des palästinensischen Volkes. Sie lässt keinen Funken Nachdenklichkeit in bezug auf die Folgen der sogenannten Al-Aqsa-Flut für die Palästinenser:innen erkennen.
Internationale Medien sind sich einig, dass das auslösende Moment für den sogenannten Friedensplan Israels die Bombardierung eines Hamas-Unterschlupfs in Doha, Qatar, war. Damit war die israelische Regierung zu weit gegangen: Denn Qatar ist ein wichtiger Verbündeter der USA in der Region und die größte US-Militärbasis im Nahen Osten, außerdem ein Ort lukrativer Geschäfte.
Für Trump stehen US-Interessen höher als die der extremen Rechten in Israel. Anders als Joe Biden hat er seine Nahostpolitik bereits mit den Abraham-Abkommen 2020 auf zwei Schultern verteilt: Israel und die anderen Mittelmächte in der Region, nämlich die Golfstaaten, Ägypten und die Türkei. Sie haben eine zentrale Rolle bei der Aushandlung des Kompromisses mit der Hamas gespielt, indem sie Druck auf die Hamas ausübten. Nun sind sie aufgerufen, durch Teilnahme an der internationalen sogenannten »Friedenstruppe« das Abkommen mit Israel zu garantieren.
Für die Palästinenser heißt das, dass sie künftig nicht nur unter dem Diktat Israels stehen werden, sondern auch unter dem der Golfstaaten und Ägyptens (und der USA natürlich). Von einem palästinensischen Staat ist nicht die Rede, auch nicht von einer Einschränkung der weiteren Zersiedelung des Westjordanlands.
In ihrer Stellungnahme begrüßen die Hamas und ihre Verbündeten dennoch ausdrücklich die Rolle von Ägypten, Qatar und der Türkei. Kann man es deutlicher ausdrücken, dass die Hamas keine Widerstandsperspektive für das palästinensische Volk bietet – nur eine für den eigenen Machterhalt?
Der Artikel erschien in SOZ, Sozialistische Zeitung Nov. 2025


