Die Straßen der Welt beginnen wieder, von jugendlicher Energie zu vibrieren. Von Kathmandu bis Nairobi, von Lima bis Antananarivo haben sich vor allem junge Menschen in ihren Zwanzigern gegen Regime erhoben, die Demokratie und Wohlstand versprochen, aber Schulden, Unterdrückung und Verzweiflung gebracht haben.
In Nepal strömten im September dieses Jahres Zehntausende junger Menschen auf die Straße, nachdem die Regierung plötzlich soziale Medienplattformen verboten hatte, weil sie sich nicht bei den staatlichen Aufsichtsbehörden registriert hatten. Das Verbot war nur der Auslöser. Was folgte, war eine landesweite Welle der Wut über Arbeitslosigkeit, Korruption und den autoritären Kurs der Republik.
Die Demonstrant:innen rissen Barrikaden nieder, besetzten Plätze und stellten sich gegen eine mit Tränengas, Wasserwerfern und scharfer Munition bewaffneten Polizei. Innerhalb einer Woche gab es mehr als siebzig Tote und über 2.000 Verletzte – die blutigsten Straßenkämpfe seit dem Sturz der Monarchie vor 17 Jahren.
In anderen Ländern des globalen Südens spielen sich ähnliche Szenen ab. In Kenia zwang eine Bewegung der »Generation Z« die Regierung, ein äußerst unpopuläres Finanzgesetz zurückzuziehen, das eine Erhöhung der Steuern auf Grundnahrungsmittel vorsah.
In Peru lieferten sich Jugendliche und Arbeiter:innen auf den Straßen Auseinandersetzungen mit der Polizei, nachdem Präsident Pedro Castillo 2022 gestürzt worden war, und warfen der politischen Klasse vor, die letzten Überreste der Demokratie zerstört zu haben.
Demonstrationen gegen Inflation, Sparmaßnahmen und Korruption haben Regierungen erschüttert, die einst für ihre Stabilität gelobt wurden, darunter Marokko und Madagaskar.
Diese Revolten haben keine gemeinsame Organisation oder Ideologie. Sie sind durch eine gemeinsame Situation verbunden – eine Generation, die in den Trümmern des Neoliberalismus aufgewachsen ist und zwischen digitaler Modernität und wirtschaftlicher Stagnation gefangen ist. Was sie verbindet, ist die Weigerung, ohne Würde in Systemen zu leben, die alles privatisiert, aber die Verzweiflung sozialisiert haben.
Eine unvollendete Revolution
Um zu verstehen, warum die junge Generation Nepals erneut auf die Straße geht, müssen wir die revolutionären Ereignisse 2006 in Erinnerung rufen. Damals trotzten Millionen Nepales:innen – Arbeiter:innen, Bauern und Bäuerinnen, Student:innen und Frauen – Kugeln und Ausgangssperren, um eine jahrhundertealte Monarchie zu stürzen. Zwei Jahre später erklärte sich Nepal zur föderalen demokratischen Republik, und die maoistischen Rebell:innen, die einen jahrzehntelangen Volkskrieg geführt hatten, wurden die größte Partei im Parlament.
Doch die Revolution wurde fast ebenso schnell wieder abgebrochen, wie sie begonnen hatte. Die Maoist:innen versprachen eine Landreform, Gleichberechtigung für Dalits und Frauen sowie die Anerkennung unterdrückter Nationalitäten. Die CPN-UML, die andere große linke Kraft Nepals, versprach, die Errungenschaften der Demokratie zu festigen. Doch beide Parteien verschwanden bald im Parlament und in den Ministerien.
Im Jahr 2018 entstand durch den Zusammenschluss der beiden Parteien zur Kommunistischen Partei Nepals die mächtigste linke Regierung in der Geschichte des Landes – und eine der am wenigsten transformativen.
Premierminister K.P. Sharma Oli löste 2020 mit einem unverhohlenen Machtgriff das Parlament auf, was später vom Obersten Gerichtshof gekippt wurde. Bald darauf spaltete sich die Partei, die Linke blieb zersplittert, zynisch und diskreditiert zurück.
Maoist:innen und UML waren trotz ihrer heldenhaften Vergangenheit zu Hüter:innen genau der kapitalistischen Ordnung geworden, die zu beseitigen sie versprochen hatten. Die parlamentarische Linke hatte schon 2006 Kompromissbereitschaft gezeigt, als sie mit einer konstitutionellen Monarchie liebäugelte; nur der Massenaufstand der Arbeiter:innen sowie Bäuerinnen und Bauern erzwang die vollständige Abschaffung der königlichen Herrschaft.
Der bewaffnete Aufstand der Maoist:innen, der in den feudalen ländlichen Gebieten Nepals populär war, verfügte jedoch nicht über eine revolutionäre Strategie, um den Kapitalismus selbst zu bekämpfen. Der Kampf gegen den Feudalismus führt nicht automatisch zu einer sozialistischen Politik. Als die Monarchie fiel, waren die Maoist:innen, geprägt von der stalinistischen Etappentheorie, nicht darauf vorbereitet, Organe der Arbeitermacht aufzubauen oder die Marktwirtschaft in Frage zu stellen.
Sie glaubten an eine »Revolution in zwei Schritten«: zunächst die Errichtung einer bürgerlich-demokratischen Republik; der Sozialismus sollte später folgen. Dieses »später« kam jedoch nie. Vielmehr lieferte die Etappentheorie sowohl die moralische als auch die theoretische Rechtfertigung für die Integration in das parlamentarische System. Der Sozialismus wurde auf unbestimmte Zeit verschoben, der Neoliberalismus als »Entwicklungsschritt« begrüßt.
Die regierenden »Kommunist:innen« Nepals führten Sparmaßnahmen durch, unterzeichneten Freihandelsabkommen und konkurrierten mit genau den neoliberalen Technokraten, die sie einst angeprangert hatten. Ihre ehemaligen Kämpfer:innen und Kader fanden sich in der Verwaltung oder in der Arbeitslosigkeit wieder. Als die Generation Z erwachsen wurde, existierte die Revolution nur noch in Liedern und Lehrbüchern.
Neoliberale Rolle rückwärts
Die Verfassung des Landes aus dem Jahr 2015 – eine der jüngsten der Welt – versprach Gleichheit, Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum und vieles mehr. Die Erfolge sind jedoch bei weitem nicht erreicht, da der öffentliche Dienst nach wie vor stark unterfinanziert und von Korruption geplagt ist. Die Pandemie hat das Ausmaß des Elends deutlich gemacht: Krankenhäusern ging der Sauerstoff aus, Familien transportierten ihre Verstorbenen auf Motorrädern zu Verbrennungsstätten, Ministern wurde vorgeworfen, Gelder für Impfstoffe veruntreut zu haben.
Die wirtschaftliche Lage ist ähnlich düster: Die Inflation liegt seit 2022 bei über 7 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit bei über 20 Prozent. Die Landwirtschaft, einst das Rückgrat der Wirtschaft, ist zusammengebrochen, Überweisungen aus dem Ausland machen über 26 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Junge Männer, deren Arbeitskraft die Wirtschaft der Golfstaaten stützt, haben durch ihre Auswanderung ganze Dörfer entvölkert; ihre Abwesenheit untergräbt das Gefüge der Republik.
Diese Überweisungswirtschaft hat die absolute Armut gemildert, aber auch Abhängigkeit und Ungleichheit verfestigt. Eine neue prekäre Klasse ist entstanden, die sich aus informellen Arbeiter:innen, Wanderarbeiter:innen, Lieferfahrer:innen und arbeitslosen Hochschulabsolvent:innen zusammensetzt. Aus dieser Klasse ist die neue Revolte hervorgegangen.
Die Rückkehr der Revolte
Der Aufstand der Generation Z im Jahr 2025 geht über einen einfachen Jugendprotest hinaus; er muss als politisches Nachbeben einer verratenen Revolution verstanden werden. Die Kinder, die den Sturz der Monarchie miterlebt haben, sind in einer Republik aufgewachsen, die sie als entbehrlich behandelt. Ihre Parolen richten sich nicht nur gegen die Zensur, sie wenden sich auch gegen die Korruption und Heuchelei einer herrschenden Klasse, die sich weiterhin als »links« bezeichnet.
Die Reaktion der Regierung war vorhersehbar, sie gab »ausländischen Kräften« die Schuld. Sowohl die Rechte als auch die Linke beschuldigten die USA, die Wut der Jugend zu manipulieren, doch nur wenige nahmen diese Behauptung ernst.
Mitte September zwangen die Proteste Premierminister Oli zum Rücktritt und ebneten den Weg zu einer Übergangsregierung. Ob sie zu bedeutenden Veränderungen führen wird, bleibt ungewiss. Eines ist jedoch klar: Die Jugend Nepals ist auf die Straße gegangen, um ihre Präsenz in der Politik zu behaupten.
Ein globales Phänomen
Im gesamten globalen Süden wendet sich eine neue Generation gegen Systeme, die ihre Legitimität verloren haben. Das gleichzeitige Aufkommen dieser Bewegungen ist kein Zufall. Auf allen Kontinenten sehen sich junge Menschen mit denselben Widersprüchen konfrontiert: »demokratische Übergänge«, die keine Demokratie bringen, und »Entwicklung«, die die Ungleichheit vertieft.
Diese Bewegungen sind nicht im traditionellen Sinne organisiert, aber ihre Zusammensetzung ist unverkennbar klassenbasiert. Sie bringen Arbeitslose, Informelle, Verschuldete und Hochqualifizierte zusammen – diejenigen, die am Rande des globalen Kapitalismus überleben müssen. Sie sprechen eher die Sprache der Würde als die der »Ideologie«, aber ihre Beschwerden sind zutiefst materieller Natur. Die neue Generation wartet nicht auf Vorreiter:innen, sie improvisiert ihre eigenen Formen der Solidarität – digitale Netzwerke, Flash-Proteste, gegenseitige Hilfe und kreativen Ungehorsam.
Doch Spontaneität hat ihre Grenzen. Ohne Organisation läuft die Revolte Gefahr, sich zu erschöpfen oder vereinnahmt zu werden. Die Herausforderung für die Linke besteht nicht darin, diese Bewegungen zu belehren, sondern ihre moralische Wut in ein politisches Projekt zu verwandeln, das in der Lage ist, sich dem Kapital und dem Staat entgegenzustellen.
In Nepal bedeutet das, Organisationen der Arbeiterklasse sowie der Bäuer:innen und Bauern neu aufzubauen, zu überdenken, wie eine revolutionäre Strategie in einer globalisierten Wirtschaft aussehen könnte, und die Etappentheorie abzulehnen, die den Sozialismus in immer weitere Ferne rückt.
Von Kathmandu bis Nairobi, von Lima bis Rabat erobern junge Menschen den öffentlichen Raum als Ort der Wahrheit in einer Welt, die auf Lügen aufgebaut ist. Sie bezeichnen sich vielleicht nicht als Sozialist:innen, aber ihr Widerstand folgt demselben Impuls, der einst Arbeiter:innen sowie Bäuerinnen und Bauern dazu trieb, Throne und Diktaturen zu stürzen: dem Wunsch nach einem Leben jenseits der Demütigung.
Der Autor ist Gewerkschafter und Unterstützter der IV. Internationale in Indien.
Der Artikel erschien in SOZ, Sozialistische Zeitung Nov. 25


