Donald Trumps Berater Elon Musk geht es nicht um Entbürokratisierung. Die USA stehen kurz davor, einem privaten Firmenimperium die Regierungsgeschäfte zu übertragen. Hannes Werthner, ehemaliger Informatik-Dekan an der TU-Wien und Begründer des Digitalen Humanismus, analysiert die Entwicklungen in den USA.

Donald Trump dominiert die öffentliche Agenda mit einer Flut von Ankündigungen und Durchführungsbestimmungen, begleitet von alarmierenden Medienberichten und verurteilenden Kommentaren. Er bricht bewusst mit traditionellen Regeln und treibt – unterstützt von einer Mehrheit der US-Bevölkerung – die Umgestaltung der USA voran.

Opposition und Kritiker tun sich schwer, inmitten dieser Hochgeschwindigkeitskommunikation wirksame Gegenstrategien zu entwickeln. Sein Vorgehen sollte jedoch niemanden überraschen, seine Agenda und sein Stil waren bekannt.

Durchdachtes Kalkül

Wer das Geschehen nur auf der Ebene der Empörung analysiert, übersieht , dass Trump und seine Administration nicht willkürlich oder „unzurechnungsfähig“ handeln. Ihr Vorgehen folgt einem durchdachten politischen Kalkül.

Ein Beispiel dafür ist seine Außenpolitik: Trump kehrt offen zu einer imperialistischen Strategie zurück – allerdings ohne die aktuell übliche ideologische Tarnung mit Demokratie- und Freiheitsrhetorik. Es geht um Macht und Geld, ganz offen und ohne jede Verlogenheit. Ältere Beobachter fragen sich, ob es je um etwas anderes ging.

Macht der Technologie

Mich interessiert ein anderer, bis jetzt vielfach übersehener, gefährlicher Punkt. Trump hat als erster und bis jetzt wohl einziger westlicher „Staatenlenker“ einen IT-Plattform-Milliardär zu seinem Chefberater und de facto zum zweiten Mann im Staat ernannt – mit weitgehenden Vollmachten zur Durchsetzung einer spezifischen Agenda.

Auch diese Wahl ist nicht zufällig. Trump erkennt die Macht und zentrale Rolle der Technologie und der Technologiegiganten in der internationalen ökonomischen und geo-politischen Auseinandersetzung. Wie provinziell mutet hier Österreich an, wo dieses Thema nicht einmal zufällig bei den Koalitionsverhandlungen vorkommt.

Musk spielt diese Schlüsselrolle nicht nur als reichster Mann der Welt, sondern und vor allem auch als Eigentümer eines IT & Technologiekonglomerats. Er kennt das Geschäft. Wie gerne die anderen IT-Milliardäre an seiner Stelle stünden, sieht man anhand ihrer zahlreichen Teilnahme an der Inaugurationsfeier – es geht schließlich um Macht und Geld, nicht um Moral und Ethik.

4 Punkte-Plan

Auf den ersten Blick ist Elon Musks Rolle als Leiter des „Department of Government Efficiency“ (DOGE) ein radikaler Versuch, Ineffizienzen der Bürokratie zu beseitigen. Doch hinter der Rhetorik von Kostensenkung, Effizienzsteigerung und der Abschaffung von Vorschriften und Verschwendung verbirgt sich nicht nur die neo-liberale Agenda des schlanken Staates, sondern ein viel weiter gefasster Plan. Diese vier Punkte machen Musk für Trump besonders, wobei er durch andere IT Giganten ersetzbar wäre, die ja auch versuchen, hier „mitzuspielen“:

  • Musk verfügt über ein riesiges Firmenimperium im High Tech / IT Bereich. Dazu gehören SpaceX, Tesla, die Tunnelbaufirma The Boring Company, das Hirnforschungsunternehmen Neuralink, die KI-Firma xAI und Twitter / X. Damit verfügt er über Zugang zu kritischem Know How und Wissen – zentral in der Branche. Geld, Know How und Technologie ermöglichen eine direkte Umsetzbarkeit von Ideen und Projekten. Dazu kommt ein zusätzlicher strategischer Vorteil: der Zugang zu sensiblen Regierungssystemen und der Auftrag, Behörden umzustrukturieren. Musk kann in seiner neuen Rolle die Regierungsbehörden, die seine Unternehmen bisher teilweise behindert haben, beaufsichtigen, unter Druck setzen – und, wenn nötig – sogar abschaffen. Damit könnte in den USA ein privates Unternehmen Regierungsgeschäfte übernehmen.
  • Strategisch entscheidend ist der Zugang zu Regierungsdaten wie den Daten im Zahlungssystem der US-Regierung von Bankinformationen und Sozialversicherungsnummern bis zu Einkommenssteuerunterlagen. Vorerst hat ein Bundesgericht Musks Dateneinsicht zumindest vorläufig für einen Teil der Daten verhindert. Mit der Übernahme dieser Daten in das von seinen Firmen entwickelte KI System xAI, das bereits mit der Musk-eigenen Plattform X verbunden ist, droht eine neue Qualität von Datenanalyse: von der Kontrolle wirtschaftlicher und politischer Vorgänge bis zu deren Vorhersage. Mit diesen neuen Instrumenten kann man etwa das Wählerverhalten analysieren und dann beginnen, es vorherzusagen und damit auch zu steuern. So wird Wissen zu Macht.
  • Social Media-Plattformen strukturieren die öffentliche politische Debatte, nicht die klassischen Medien. Das haben rechte, nationalistische Parteien weit früher erkannt als ihre bürgerliche oder linke Konkurrenz. Digitale Plattformen stellen neue gesellschaftliche Institutionen dar, die unser privates und öffentliches Leben strukturieren und bestimmen. An der Teilnahme daran führt kein Weg mehr vorbei.  Sie sind ein öffentliches Gut, allerdings im privaten Besitz und folgen so auch den Regeln Privater. Plattformen wie X oder Trumps Truth Social sind zentral und einflussreich – sie zeigen, wie man Inhalt, Tonalität und Rhythmus der Kommunikation bestimmt.
  • Den vierten Punkt stellen  Kryptowährungen dar. Auch hier spielen Trump und Berater wie Musk, zum Teil bereits mit eigenen Kryptowährungen, wichtige Rollen. Durch die Blockchain-Technologie anonymisierte Finanzströme eröffnen in Kombination mit der zunehmenden Privatisierung der Kontrolle über die amerikanische Geld- und Wirtschaftspolitik enorme Möglichkeiten. Öffentliche Kontrolle würde wegfallen, die finanzielle Macht noch mehr verschoben.  Wer diese Macht hat, entscheidet, wer mitspielen darf und wer ausgeschlossen wird. Das erklärt die Willfährigkeit von Big Tech, die ja auch durch Trump auf Deregulierung im digitalen Sektor in und außerhalb der USA hoffen.

Putsch der privaten Macht

Zusammengenommen deuten die Punkte auf ein Szenario hin, in dem ein libertäres IT-Daten–Krypto Startup den US-amerikanischen Staat „kapern“ könnte. Das Motto von Silicon Valley „Move fast and destroy things“ wird zu “Destroy the republic, build a startup nation“. Durch die Kontrolle von Regierungsmaßnahmen, den Zugriff auf alle Daten, den Besitz von social media Plattformen und die Umwandlung eines Teils des weltweiten Finanzsystems in privat kontrollierte Kryptowährungen verlieren die nationalen Regierungen ihre Macht. Statt Institutionen und Parlamenten übernehmen die Tech-Oligarchen die Kontrolle.

Es geht nicht darum, ob Staaten schlanker und Verwaltungen effizienter werden, sondern ob Tech-Giganten die Regierungsmacht übernehmen. Sie rationalisieren nicht nur die Bürokratie – sie verändern grundlegend das Verhältnis zwischen privater Macht und gesellschaftlicher Kontrolle.

Wir Europäer und alle anderen auf dieser Welt sind ROW – rest of the world – und haben in Trumps neuer Welt keine wirkliche Stimme. Und es kann noch schlimmer kommen: unter dem Deckmantel einer „notwendigen“ Innovations- und Standort Politik im internationalen Wettbewerb ertönt auch in Europa wieder der Ruf nach Entbürokratisierung und Deregulierung. Dies wird nun verstärkt durch den gemeinsamen Druck von US-Regierung und US-amerikanischen IT-Plattformfirmen. Das alles würde zu einer weiteren technologischen, wirtschaftlichen und somit auch politischen Machtverlagerung von Europa weg führen. Das ist die Trump/Musk-Falle, vor der Europa steht.


Dieser Beitrag wurde inspiriert durch meine Kollegin Allison Stanger (Middlebury College, USA) und ihrem Artikel „Efficiency − or empire? How Elon Musk’s hostile takeover could end government as we know it” In „The Conversation“


Hannes Werthners Buch “Digitaler Humanismus – Über Digitalisierung und Künstliche Intelligenz” erscheint am 26. Februar 2025 im Picus Verlag.

Gespräch über Digitalen Humanismus in der Alten Schmiede

Hannes Werthner

Hannes Werthner war Informatikprofessor und Dekan an der Fakultät für Informatik an der TU Wien und ist Gründer des Digitalen Humanismus. Er beobachtet aufmerksam, wie Informatik und Informationstechnologie die Welt und uns verändern.

Wiedergabe mit freundlicher Zustimmung von Hannes. Zuerst erschienen in zackzack.at