In Hallein wird die Geschichte der Tabakarbeiterinnen aufgeführt
von Dieter Braeg
‹Tschikweiber haums uns g’nennt›. Die Zigarrenfabriksarbeiterinnen von Hallein. Berlin: Verlag Die Buchmacherei, 2015. 326 S., 20 Euro
Hallein, eine österreichische Stadt etwa 20 Kilometer von Salzburg entfernt, hat eine lange Geschichte. 2500 v.u.Z. gab es im Gebiet des Dürnbergs erste Siedlungen. Schon damals spielte die Salzgewinnung eine wichtige Rolle. Bis heute prägt der Salzabbau die Geschichte der Stadt, zu deren Reichtum er beigetragen hat.
Es gibt in Hallein aber noch eine andere wichtige und berichtenswerte Geschichte. Da geht es um Frauen, Arbeit und Alltagsleben. Noch heute werden in der österreichischen Mundart Zigarren- oder Zigarettenstummel als «Tschik» bezeichnet. Als die Eisenbahn das bisherige Transportmittel, die Salzschifffahrt, ablöste und hunderte Arbeitsplätze plötzlich verschwanden, kam der Salzbergbau in die Krise. Da wurde im Jahre 1869 im Schwärzbräuhaus am Kornsteinplatz der provisorische Betrieb einer Tabakfabrik aufgenommen.
Bis 1912 erhöhte sich der Personalstand auf 510 Beschäftigte – zu 90 Prozent Frauen. Die Jahresproduktion erreichte 27 Millionen Zigarren. 1940 wurde die Zigarrenproduktion eingestellt.
Der älteren Generation in Hallein ist die Zigarrenfabrik noch ein Begriff. In Erinnerung bleiben streikende, widerständige, kämpferische Frauen. Zu 90 Prozent waren sie gewerkschaftlich organisiert, und es dauerte nicht lange, da war die Entlohnung der Frauen in der Tabakfabrik um vieles besser als die der im Salzbergbau beschäftigten Männer.
Die Halleiner Zigarrenfabrik war Ausdruck einer bestimmten kämpferischen Arbeiterinnenmentalität. Als es während des Ersten Weltkriegs zu Hungersnöten kam, streikten die Frauen für eine bessere Versorgung.
Die Zigarrenfabriklerinnen haben was gegolten
«Ich bin froh, dass ich in die Fabrik gangen bin. Ich möcht heute nicht abhängig sein. Wenn man halt selber – auch wenn’s wenig ist – ein paar Schilling hat, ist man unabhängiger. Man tut sich halt doch leichter. Man kann sich besser rühren, wenn man selbst einen Verdienst hat. Man steht ganz anders auf den Füßen, wenn man nicht immer auf das Geld vom Mann angewiesen ist…» (Zigarrenfabriksarbeiterin, Jahrgang 1902).
«Ja, alle wären gerne in die Zigarrenfabrik gegangen. Dort hat man wenigstens gut verdient für seine Arbeit. Und die Zigarrenfabriklerinnen haben etwas gegolten. ‹Ja, die geht in die Zigarrenfabrik, das ist was anderes›, hat es geheißen, wenn jemand vielleicht nicht so viel eingekauft hat. Ja, die Zigarrenfabriklerinnen haben sich’s leisten können. Wir – bei uns hat’s das nicht gegeben» (Zellulosefabriksarbeitersfrau, Jahrgang 1898).
«Jede, die hat verdienen wollen, hat fest dazuschauen müssen. Ich hab mir dann die Zeit selber eingeteilt: So und so viele Zigarren musst du in fünf Minuten machen, das habe ich gewusst. Da ist uns halt dann jede Minute abgangen. Die Jausenzeit zum Beispiel, das waren zehn Minuten. Drinnen hat man ja nichts essen dürfen, damit nichts in die Zigarren hineinkommt. Und das Hinausgehen hat man sich überlegt, ob man sich’s zeitlich leisten kann.»
«Nicht stillhalten, wenn Unrecht geschieht», war die Devise der Frauen in dieser Fabrik – samt der Betriebsrätin und Kommunistin Agnes Primocic, die mutig sogar noch in der österreichischen Ständediktatur agierte und später, bei Weltkriegsende, 17 KZ-Häftlinge des KZ-Außenlagers Hallein befreite.
Es ist der Historikerin Ingrid Bauer zu verdanken, dass sie noch zu Lebzeiten einiger Tschikweiber eine Dissertation verfasste, die zur Grundlage eines Theaterstücks wurde – der Text stammt von Gerd Hartmann und Christa Hassfurther. Das Theaterstück wird im Oktober in Hallein aufgeführt, man darf es nicht versäumen, es bietet historische Einblicke in das Fabrikleben zwischen 1920 und 1939. Es ist notwendig, heute mehr denn je, dass die Widerständigkeit der Frauen anicht in Vergessenheit gerät.
Vorstellungen in der Festspielhalle Pernerinsel: 30.9.–3.10., 9.–10.10. und 13.–16.10.