von Dieter Braeg

Ein Zitat von Mozart, das die »Mozartfestspielstadt Salzburg« noch immer verdrängt: »Ich hoffe nicht, dass es nötig ist zu sagen, dass mir an Salzburg sehr wenig und am Erzbischof gar nichts gelegen ist und ich auf beide scheiße.«

Als am 10.März 2024 um etwa 22 Uhr alle Stimmen für die Gemeinderatswahl ausgezählt waren, blieb einigen »Expert:innen« die Luft weg: In der Stadt Salzburg, in der bis jetzt die bürgerlich-konservative ÖVP den Bürgermeister stellte, geht plötzlich nicht mehr der Jedermann um, sondern ein Gespenst, das sich, trotz radikalstem Vernichtungswillen der kapitalismusfreundlichen Welt, erfreulich lebendig hält: der Kommunismus!

Salzburg bildet sich ein, eine Festspielstadt zu sein, was sie vor allem dem auf die Stadt »scheißenden« ­Mozart zu verdanken hat. Sie ist aber eher die Stadt mit noch immer 66 NS-Straßennamen, der ein kompetenter Historikerfachbeirat dringend empfohlen hat, 13 davon umzubenennen. Darunter finden sich so prominente Namen wie Herbert von Karajan, Ferdinand Porsche und Tobias Reiser, Gründer des Salzburger Adventsingens, aber auch Hitlers »Lieblingsbildhauer« Josef Thorak und der Organisator der einzigen in Österreich stattgefundenen Bücherverbrennung, Karl Springenschmid (SS-Mitglied).

Vorlauf Landtagswahlen

Schon bei der Landtagswahl im Jahre 2023 sorgte die KPÖ+ für eine Überraschung und landete mit 11 Prozent vor den Grünen auf Platz 4. Noch erstaunlicher war das Ergebnis in der Stadt Salzburg, da kam die konservative ÖVP auf 24,8 Prozent. Auf Platz 2 folgte die KPÖ+ mit 21,5 Prozent. Die Sozialdemokratie, einmal stärkste politische Kraft in der Stadt Salzburg, erreichte 16,6 Prozent und die Grünen 12,2 Prozent. Die Neos (der jetzigen Gesellschaftsordnung »neoliberal« ergeben) bekamen 4,6 Prozent. Die FPÖ (noch nationalradikaler als die AfD) kam auf 18,7 Prozent. Besonders erfreulich: Bei der jetzigen Gemeinderatswahl konnte sie mit 10,8 Prozent nur leichte Stimmenzuwächse verbuchen. Sonst liegt sie im österreichweiten Trend bei über 30 Prozent!

Erstmals seit 1949 ist die KPÖ somit wieder im Salzburger Landtag mit vier Sitzen vertreten. Das Bundesland Salzburg ist damit das zweite Bundesland neben der Steiermark mit Kommunisten im Landtag. Das ist Kay-Michael Dankl, dem 35jährigen Historiker, und etwa 50 überwiegend jungen Aktivistinnen und Aktivisten zu verdanken, die sich nach dem Vorbild der Grazer Genossinnen und Genossen auf das in Salzburg besonders drängende Thema Wohnungsnot konzentrieren.

In unzähligen Beratungsstunden versuchten sie, meist älteren Menschen durch den Bürokratiedschungel zu helfen, notfalls hilft man auch mit eigenem Geld aus: Dankl sitzt seit 2019 für die KPÖ im Gemeinderat der Landeshauptstadt und hat bis dato rund 28000 Euro seines Gemeinderatssalärs an Salzburgerinnen und Salzburger in Notsituationen weitergegeben. Auch hier ist das Vorbild Graz.

Versuche der manchmal hilflos reagierenden Polit- und Medienlandschaft weiß Dankl zu kontern. Wer ihn beispielsweise nach den Sympathien mancher Altlinker für Putins Russland fragt, bekommt zu hören, dass es bei manchen Nationalratsparteien, in der OMV (der staatliche österreichische Energiekonzern) oder dem Raiffeisen-Konzern sicher mehr Putin-Fans gebe als in der KPÖ.

In ihrem Programm für die Gemeinderatswahl zeigte die KPÖ+ nun das ganze Elend einer jahrzehntelangen kommunalen Politik auf, die weder gegen überteuerte Wohnungen noch gegen einen Verkehr mit täglich zehntausenden Autos und 60.000 Pendlern ein Rezept gefunden hat. Sie gibt Antworten, die aus der »Festspielstadt« vielleicht eine soziale Stadt Salzburg machen können. Sie macht die notwendige politische Arbeit und bewegt sich im Bereich sozialdemokratischer Reformpolitik. Hammer & Sichel spielen höchstens in Leserbriefen der Salzburger Tageszeitungen eine Rolle, hier eine kleine Kostprobe: »Ist da vielleicht doch etwas von den Schwarzgeldmilliarden übriggeblieben, die von der ›roten Fini‹ [Rudolfine Steindling] schon vor 1989 aus den Kassen der Honecker-SED nach Österreich und in die Schweiz verschoben wurden?«, schreibt ein Prof. Dr. Dr. Manfred Holztrattner am 5.5.2023. Dass jede und jeder Abgeordnete der KPÖ+ von seinen politischen Bezügen nur 2.200 Euro behält und der Rest für die Lösung sozialer Probleme verwendet wird, ist dem Doppeldoktor kein Wort wert.

Bei der Stichwahl um das Amt des Bürgermeisters am 24. März holte Bernhard Auinger von der SPÖ 63,1 Prozent und Kay-Michael Dankl von der KPÖ 36,9 Prozent.

Im Wahlprogramm der KPÖ+ heißt es: »In kaum einer österreichischen Stadt wird Reichtum so provokant zur Schau gestellt wie in Salzburg. Salzburg weist eine Rekorddichte an Stiftungen auf, gilt als Top-Destination für Vermögende. Reiche und Schöne schnappen sich Festspielwohnungen, die fast das ganze Jahr über leer stehen. Für Prestigeobjekte lässt die Politik Unsummen an öffentlichen Geldern fließen, zum Beispiel für die millionenschwere Erweiterung der Festspielstätten, während kein Geld da ist, um die stadteigenen Wohnungen zu sanieren. Hier stimmt die Balance schon lange nicht mehr. KPÖ+ tritt für eine Stadt ein, in der niemand im Stich gelassen wird. Salzburg kann eine Stadt sein, in der die Menschen unabhängig von ihrem Einkommen selbstbewusst und gemeinschaftlich leben … Salzburg kann eine Stadt für alle werden. Eine Stadt, die Menschen nicht von öffentlichen Plätzen verdrängt, die Menschen in Not unterstützt, anstatt sie zu drangsalieren, die 100 Prozent barrierefrei für alle ihre Bewohner ist.«

Die KPÖ, jahrzehntelang bei Wahlen höchstens eine 1-Prozent-Partei, ist auferstanden aus Ruinösem.

 

Danke an die SOZ (Sozialistische Zeitung) für das Einverständnis, den Artikel zu posten: https://www.sozonline.de/2023/06/oesterreich-das-politische-system-ist-ins-rutschen-gekommen/