Rezensionen

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Die Straßen von Algier – Erfahrungen des Kolonialismus prägen französische Theorie

Viele bekannte französische Theoretiker:innen der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts haben auf die eine oder andere Art einen »kolonialen Hintergrund« mit einer konkreten biografischen Realität. Der Historiker und Kulturwissenschaftler Onur Erdur untersucht in seinem unterhaltsamen und bebilderten Essay genau diese individuellen räumlichen Erfahrungen und ihren Einfluss auf die Theorie. Es waren nicht nur die legendären Pariser Bibliotheken, sondern auch die Straßen Algiers und der Strand von Tunis, die den Raum für Theorie bildeten.

2025-10-05T23:07:26+02:005. Oktober 2025|

Düsteres Verlangen. Das Filmfestival in Locarno 2024

Juryentscheidungen sind häufig Kompromisse. Dies gilt wohl auch die Preisverleihung des »Goldenen Leoparden« an den litauischen Film Akiplesa (Regie: Saula Biluvalté). Der Film erzählt die Geschichte einer Mädchenfreundschaft rund um eine erhoffte Modelkarriere. Zwei Außenseiterinnen halten gegen Mobbing zusammen, machen sich Gedanken über schlanke Körper, aber mehr noch über das Entfliehen aus der Provinz in die große Stadt. Der Film ist ein intimes Porträt, sensibel erzählt. Was Akiplesa aber nicht war: der Höhepunkt des Festivals. Da standen mehrere bemerkenswerte Filme zur Auswahl.

2024-10-07T12:35:11+02:007. Oktober 2024|

Was gesund erhält und was krank macht: Die entscheidenden Determinanten von Krankheit sind ­gesellschaftlich

Der Aufstieg der Naturwissenschaften im 19.Jahrhundert befeuerte die Illusion, Krankheiten seien durch medizinische Maßnahmen zu »besiegen« oder gar durch eine erbbiologisch basierte Bevölkerungspolitik »auszumerzen«. Doch gab es innerhalb der Medizin auch kritische Stimmen, bspw. die von Rudolf Virchow. Er führte Krankheiten wesentlich auf mangelhafte soziale Verhältnisse zurück. Deshalb plädierte er für eine »soziale Medizin«, die die Arbeits-, Wohn- und Ernährungsverhältnisse in den Blick nimmt.

2023-04-26T16:25:36+02:0016. Februar 2023|

Der Revolutionär und der Seelenarzt. Helmut Dahmer: Trotzki, die Psychoanalyse und die kannibalischen Regime

Der Autor des Klassikers Libido und Gesellschaft. Studien über Freud und die Freudsche Linke (die dritte erweiterte Auflage erschien 2013, urspr. 1982) ist dafür bekannt, die Werke von Marx und Freud als zwei verschiedene und doch verwandte Ansätze »kritischer Theorie« zu verstehen. Mit seinem neuen Buch führt er die Arbeit fort, beide Theorien miteinander zu konfrontieren und zu zeigen, wie sie sich wechselseitig befruchten können.

2023-04-26T16:26:25+02:008. Januar 2023|

Das ‹große Rätsel› und die Frage nach den Lösungen. Karl Heinz Roth über den Umgang mit der Corona-Pandemie

Der Mediziner und Historiker Karl Heinz Roth hat eine umfassende Studie über die Pandemie, ihre Bekämpfung und ihre Folgen vorgelegt. Die Themen, die er untersucht, reichen vom Ursprung der Pandemie in China, ihre Ausbreitungswege und Besonderheiten bis zu ihren medizinischen, sozialen und ökonomischen Folgen. Dabei ist sein Ansatz von vornherein global. Angela Klein hat sich durch das materialreiche und detailversessene 500-Seiten-Werk gelesen.

2023-05-03T15:13:26+02:0016. März 2022|

Notizen aus der Fischfabrik

Ein außergewöhnlicher Roman über die Arbeitswelt – ­und Kontrapunkt zur Einschaltquoten- und Bestsellerlistenkultur. Joseph Ponthus, Autor des Buches Am laufenden Band. Aufzeichnungen aus der Fabrik, kam im Jahre 1978 zur Welt. Er studierte Literatur und Sozialarbeit in Reims und Nancy. Nach zehn Jahren Sozialarbeit in den Pariser Vororten zog er in die Bretagne und arbeitete dort fast drei Jahre in Fischfabriken. Joseph Ponthus starb im Februar 2021. Er erlebte in Frankreich noch den Erfolg seiner literarischen Arbeit.

2023-05-03T15:15:46+02:009. Februar 2022|

C. L. R. James: Black Jacobin und kritischer Theoretiker des Panafrikanismus

von Elfriede Müller* Für den schwarzen Schriftsteller und Aktivisten aus Trinidad waren Sklavinnen und ­Bauern eine revolutionäre Kraft. Cyril Lionel Robert James (1901–1989) war einer der originellsten linken Denker des 20.Jahrhunderts. Als Sohn eines Lehrers in Trinidad unter britischer Herrschaft geboren, politisierte sich James in England. Er stieß zur trotzkistischen Bewegung und wurde britischer Delegierter bei der Gründung der IV. Internationale 1938 in Paris. Während des Abessinienkriegs 1935 war er Sprecher der englischen Solidaritätsbewegung mit Äthiopien. 1938 verfasste James die erste antistalinistische Studie zur Komintern, World Revolution, die den Stalinismus zum Hauptschuldigen für das Ausbleiben der Weltrevolution erklärte. Er emigrierte in die USA und «bildete dort die Dritte Welt in der trotzkistischen Partei». Die Socialist Workers Party (SWP) schuf eine Abteilung für «Negro Work», eine offizielle Erklärung definierte die Schwarzen als Avantgarde der proletarischen ...

2021-06-29T18:06:13+02:0029. Juni 2021|