Rezensionen

Startseite/Rezensionen

Düsteres Verlangen. Das Filmfestival in Locarno 2024

Juryentscheidungen sind häufig Kompromisse. Dies gilt wohl auch die Preisverleihung des »Goldenen Leoparden« an den litauischen Film Akiplesa (Regie: Saula Biluvalté). Der Film erzählt die Geschichte einer Mädchenfreundschaft rund um eine erhoffte Modelkarriere. Zwei Außenseiterinnen halten gegen Mobbing zusammen, machen sich Gedanken über schlanke Körper, aber mehr noch über das Entfliehen aus der Provinz in die große Stadt. Der Film ist ein intimes Porträt, sensibel erzählt. Was Akiplesa aber nicht war: der Höhepunkt des Festivals. Da standen mehrere bemerkenswerte Filme zur Auswahl.

2024-10-07T12:35:11+02:007. Oktober 2024|

Was gesund erhält und was krank macht: Die entscheidenden Determinanten von Krankheit sind ­gesellschaftlich

Der Aufstieg der Naturwissenschaften im 19.Jahrhundert befeuerte die Illusion, Krankheiten seien durch medizinische Maßnahmen zu »besiegen« oder gar durch eine erbbiologisch basierte Bevölkerungspolitik »auszumerzen«. Doch gab es innerhalb der Medizin auch kritische Stimmen, bspw. die von Rudolf Virchow. Er führte Krankheiten wesentlich auf mangelhafte soziale Verhältnisse zurück. Deshalb plädierte er für eine »soziale Medizin«, die die Arbeits-, Wohn- und Ernährungsverhältnisse in den Blick nimmt.

2023-04-26T16:25:36+02:0016. Februar 2023|

Der Revolutionär und der Seelenarzt. Helmut Dahmer: Trotzki, die Psychoanalyse und die kannibalischen Regime

Der Autor des Klassikers Libido und Gesellschaft. Studien über Freud und die Freudsche Linke (die dritte erweiterte Auflage erschien 2013, urspr. 1982) ist dafür bekannt, die Werke von Marx und Freud als zwei verschiedene und doch verwandte Ansätze »kritischer Theorie« zu verstehen. Mit seinem neuen Buch führt er die Arbeit fort, beide Theorien miteinander zu konfrontieren und zu zeigen, wie sie sich wechselseitig befruchten können.

2023-04-26T16:26:25+02:008. Januar 2023|

Das ‹große Rätsel› und die Frage nach den Lösungen. Karl Heinz Roth über den Umgang mit der Corona-Pandemie

Der Mediziner und Historiker Karl Heinz Roth hat eine umfassende Studie über die Pandemie, ihre Bekämpfung und ihre Folgen vorgelegt. Die Themen, die er untersucht, reichen vom Ursprung der Pandemie in China, ihre Ausbreitungswege und Besonderheiten bis zu ihren medizinischen, sozialen und ökonomischen Folgen. Dabei ist sein Ansatz von vornherein global. Angela Klein hat sich durch das materialreiche und detailversessene 500-Seiten-Werk gelesen.

2023-05-03T15:13:26+02:0016. März 2022|

Notizen aus der Fischfabrik

Ein außergewöhnlicher Roman über die Arbeitswelt – ­und Kontrapunkt zur Einschaltquoten- und Bestsellerlistenkultur. Joseph Ponthus, Autor des Buches Am laufenden Band. Aufzeichnungen aus der Fabrik, kam im Jahre 1978 zur Welt. Er studierte Literatur und Sozialarbeit in Reims und Nancy. Nach zehn Jahren Sozialarbeit in den Pariser Vororten zog er in die Bretagne und arbeitete dort fast drei Jahre in Fischfabriken. Joseph Ponthus starb im Februar 2021. Er erlebte in Frankreich noch den Erfolg seiner literarischen Arbeit.

2023-05-03T15:15:46+02:009. Februar 2022|

C. L. R. James: Black Jacobin und kritischer Theoretiker des Panafrikanismus

von Elfriede Müller* Für den schwarzen Schriftsteller und Aktivisten aus Trinidad waren Sklavinnen und ­Bauern eine revolutionäre Kraft. Cyril Lionel Robert James (1901–1989) war einer der originellsten linken Denker des 20.Jahrhunderts. Als Sohn eines Lehrers in Trinidad unter britischer Herrschaft geboren, politisierte sich James in England. Er stieß zur trotzkistischen Bewegung und wurde britischer Delegierter bei der Gründung der IV. Internationale 1938 in Paris. Während des Abessinienkriegs 1935 war er Sprecher der englischen Solidaritätsbewegung mit Äthiopien. 1938 verfasste James die erste antistalinistische Studie zur Komintern, World Revolution, die den Stalinismus zum Hauptschuldigen für das Ausbleiben der Weltrevolution erklärte. Er emigrierte in die USA und «bildete dort die Dritte Welt in der trotzkistischen Partei». Die Socialist Workers Party (SWP) schuf eine Abteilung für «Negro Work», eine offizielle Erklärung definierte die Schwarzen als Avantgarde der proletarischen ...

2021-06-29T18:06:13+02:0029. Juni 2021|

Hongkong: Ein Aufstand und sein Schicksal

Rezension: Au Loong-Yu - Revolte in Hongkong - Die Protestbewegung und die Zukunft Chinas[1] Promise Li "Zwei Ereignisse im Jahr 2019 markierten den Wendepunkt sowohl für Festlandchina als auch für Hongkong: die Revolte 2019 und die Covid-19-Pandemie. Sie legen die grundlegenden Widersprüche Großchinas offen, die sich während der Zeit der 'Reform und Öffnung' angehäuft haben. Die beiden Ereignisse begannen, auch den Status quo zu verändern und stellten die Einparteien - Diktatur in China auf eine noch größere Probe" (Revolte in Hongkong, S 229)[2] Hong Kong's langjähriger explosiver Kampf, obwohl einer der am meisten live gestreamten und übertragenen Aufstände in der modernen Geschichte, ist in seinen Details immer noch von verwirrender Unklarheit gekennzeichnet. Ist er eine rechtsgerichtete Bewegung? Ist es ein nationaler Unabhängigkeitskampf? Wer waren die verschiedenen Akteure? Au Loong-Yu`s hochaktuelles Buch, das geschrieben wurde, ...

2021-06-22T22:25:01+02:0012. März 2021|

Das Werk von Ernest Mandel

Ein wichtiges Erbe für den revolutionären Kampf im 21. Jahrhundert. Hier soll ein Blick auf die ökonomischen und politischen Schriften dieses bedeutenden Marxisten geworfen werden. Von Manuel Kellner Ernest Mandel (1923–1995) hat uns ein wichtiges theoretisches Werk hinterlassen, das für jeden unverzichtbar ist, der eine Bilanz des 20. Jahrhunderts ziehen und zur Ausarbeitung revolutionärer Perspektiven für das 21. Jahrhundert beitragen will. Der rote Faden des Denkens von Ernest Mandel, die Achse, um die sich seine Schriften drehen, war die solidarische Selbsttätigkeit und demokratische Selbstorganisation der Arbeiter*innenklasse als Schlüssel für die universelle menschliche Emanzipation. Das ist es, was sich aus seinen ausführlichen Kritiken des Kapitalismus und anderer zeitgenössischer Unterdrückungssysteme ergibt, es ist die zentrale Idee seiner Beiträge zur Strategie des sozialistischen Kampfs für eine klassenlose Gesellschaft und zugleich die Quintessenz seiner Vorstellung von der angestrebten ...

2021-06-22T23:00:04+02:007. September 2020|

Die Aktualität der Wirtschaftstheorie von Ernest Mandel

  Fünfundzwanzig Jahre nach dem Tod von Ernest Mandel ist der folgende Artikel nicht als Würdigung gedacht. So wie auch Mandel den Marxismus stets als etwas Lebendiges begriffen hat, soll vielmehr die Aktualität seiner ökonomischen Schriften dargestellt und die darin aufgeworfenen – alten wie neuen – Fragen skizziert werden. Von Michel Husson Mandel hat eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung eines von seinen stalinistischen Überresten befreiten Marxismus gespielt, wobei er stets bemüht war, die ökonomischen Analysen mit der politischen Praxis zu verbinden. Im Jahr 1962 erschien sein erster bedeutender Beitrag Marxistische Wirtschaftstheorie1. Dieses Werk wurde international weit verbreitet und trug zur Erneuerung eines lebendigen Marxismus bei, der frei von Dogmatismus und bestrebt war, die neueren Entwicklungen zu integrieren. Ein gutes Beispiel hierfür liefert das Kapitel XI über die periodischen Krisen: Mandel liefert darin bereits eine Synthese zwischen ...

2021-06-22T23:02:45+02:001. September 2020|