von Paul Michel
Am Morgen des 6.April 1941, dem Palmsonntag, attackierten 500 deutsche Kampfflugzeuge ohne jede Vorankündigung in mehreren Wellen die jugoslawische Hauptstadt Belgrad. Große Teile Belgrads versanken in Schutt und Asche. Zwischen 1500 und 3000 Menschen verloren ihr Leben. Es war das Gernika des Balkans. Die deutsche Propaganda feierte den barbarischen Akt als verdientes «Strafgericht».
Das Jugoslawien der Zwischenkriegszeit war ein rückständiges Agrarland. 1921 lebten 79 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft. Zwanzig Jahre später waren es immer noch über 75 Prozent. Es gab eine massive ländliche Überbevölkerung, d.h. es lebten auf dem Land erheblich mehr Menschen, als das Land ernähren konnte. Die Analphabetenrate lag 1921 bei 51,5 Prozent, in den ländlichen Regionen des Südens lag sie deutlich höher: in Mazedonien bei 84 Prozent.
Auf dem Land grassierte die Unterernährung. Ansätze von Industrie gab es nur im Nordwesten, in Slowenien und Kroatien. Das Land war zwar reich an Bodenschätzen, die aber wurden von ausländischen Konzernen ausgebeutet, sodass die einheimische Bevölkerung nichts davon hatte.
Wie in fast allen Ländern des Balkans herrschte auch in Jugoslawien eine autoritäre Königsdiktatur. Im Januar 1929 löste König Alexander das Parlament auf. Der König sprach sich selbst diktatorische Vollmachten zu und ließ alle Parteien verbieten. Der Sicherheitsapparat übte ein brutales Terrorregiment aus. Zahlreiche Mitglieder der illegalen Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) wurden schon bei der Festnahme von der Geheimpolizei ermordet. Wer die Festnahme überlebte, wurde zumeist einer brutalen Folter unterzogen.
Trotz allen Terrors war das Regime instabil. Es gab ständig Regierungsumbildungen, die Unzufriedenheit war groß. Am 9.Oktober 1934 fiel König Alexander in Marseille einem Attentat von Ustaša-Terroristen zum Opfer. Danach kehrte das Land formal zum Parlamentarismus zurück, einige liberale Parteien wurden wieder zugelassen. Insgesamt blieb das Regime aber repressiv.
Dominierende Figur war bis 1939 Milan Stojadinovic. Als Ministerpräsident suchte er Ende der 30er Jahre die Annäherung an die Achsenmächte. Auch innenpolitisch orientierte er sich an Deutschland und Italien. Er ließ sich als Führer bezeichnen und schuf eine uniformierte Jugendorganisation.
Deutsche Begehrlichkeiten
Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, wie das multinationale Balkanland bis 1929 hieß, war Ziel der Begierde der deutschen Eliten. Die Nazis sahen im Rahmen ihrer Kriegsvorbereitungen Jugoslawien wegen seiner Vorkommen kriegswichtiger Rohstoffe wie Kupfer, Chrom, dem Aluminiumausgangsstoff Bauxit, Blei, Zink, Mangan sowie wegen seiner landwirtschaftlichen Produkte als wichtigen Zulieferer für kriegsrelevante Rohstoffe. Wegen der räumlichen Nähe zu Deutschland galt es als «blockadesicherer Raum».
Die Außenpolitik der Nazis zielte darauf ab, Jugoslawien politisch von Frankreich zu lösen und nach Deutschland hin zu orientieren. Bereits 1934 bot das deutsche Reich Jugoslawien an, für landwirtschaftliche Produkte Preise zu zahlen, die über dem Weltmarktpreis lagen. Die Verrechnung sollte nicht in Devisen, sondern mit aus Deutschland zu liefernden Industrieprodukten erfolgen.
Zielsicher gelang dem deutschen Reich, sukzessive zum wichtigsten Handelspartner Jugoslawiens zu werden. Nahm Deutschland zwischen 1931 und 1935 erst 14 Prozent der jugoslawischen Exporte ab, waren es 1936 bereits 25 Prozent und 1939 sogar 46 Prozent. Am 25.August 1937 resümierte das Auswärtige Amt zufrieden, durch die «planmäßige deutsche Wirtschaftspolitik» sei die «weitgehende Loslösung Jugoslawiens von Frankreich und der Kleinen Entente» erreicht worden.
Beitritt Jugoslawiens zum Dreimächtepakt
Nach der Unterwerfung Österreichs 1938 trat das Nazireich gegenüber Jugoslawien immer fordernder und drohender auf. Am 23.Januar 1939 sagte der Reichsstatthalter für Österreich, Arthur Seyß-Inquart, in einer Rede vor hohen Offizieren der Wehrmacht, die Annexion Österreichs bedeute «eine gewaltige Stärkung des Potentials des Reiches» und «die breite Öffnung des Tores nach Südosten». Man könne den Regierungen dort jetzt sagen: «Ihr wisst, dass wir so stark sind, dass jeder, der gegen uns geht, vernichtet wird.»
Ab Sommer 1940 wurden jugoslawische Regierungsmitglieder aufgrund des Beitritts zum Dreimächtepakt (Deutschland, Italien, Japan) mehrfach zu Verhandlungen nach Deutschland zitiert. Am 15.Februar 1941 forderte Hitler in Berchtesgaden den jugoslawischen Außenminister ultimativ zum Beitritt auf. Am 25.März 1941 wurde in Wien im Schloss Belvedere in einer pompösen Zeremonie der Beitritt Jugoslawiens zum Dreimächtepakt vollzogen. Der deutsche Außenminister Joachim von Ribbentrop erklärte mit unverhohlener Vorfreude, dass nun «der gesamte bisher neutrale Balkan sich im Lager der Ordnung befindet».
Aufstand in Belgrad – Hitler tobt
Der unter erheblichem außenpolitischem Druck vollzogene Schritt empörte vor allem die Eliten in Serbien, die sich traditionell den Westalliierten verbunden fühlten. In Jugoslawien erhob sich ein Sturm der Entrüstung gegen die Unterwerfung unter das faschistische Deutschland. In verschiedenen Städten gab es Massenproteste, bei denen die KPJ eine wichtige Rolle spielte.
Eine probritische Offiziersgruppe um den Luftwaffenchef Dušan Simovic nutzte die Situation und stürzte am 27.März die Regierung des nazifreundlichen Premiers Dragiša Cvetkovic. Am Morgen des 27.März 1941 tanzten und jubelten Tausende auf Belgrads Straßen.
Die Belgrader Ereignisse bedeuteten eine schwere Schlappe für die deutsche Südosteuropapolitik. Der soeben unterworfene und politisch wie rüstungswirtschaftlich wichtige Balkan drohte, den Deutschen wieder zu entgleiten.
Hitler fühlte sich brüskiert und tobte. Er ordnet an, Jugoslawien so schnell wie möglich niederzuwerfen und als Staatsgebilde «zu zerschlagen». Der Schlag müsse «mit unerbittlicher Härte … und in einem Blitzunternehmen» durchgeführt werden.«
In diesem Zusammenhang», so wurde weiter festgelegt, sei «der Beginn des «Barbarossa-Unternehmens», d.h. der Überfall auf die Sowjetunion, «bis zu vier Wochen» zu verschieben. Man entschloss sich, den Überfall auf Griechenland und auf Jugoslawien gleichzeitig durchzuführen und für den «Doppelschlag» auch Verbände aus dem «Barbarossa»-Aufmarsch einzusetzen.
Am 6.April 1941 um 5.15 Uhr griffen Wehrmachtverbände ohne vorherige Kriegserklärung oder Ultimatum mit 33 Divisionen, davon sechs Panzerdivisionen und insgesamt 680000 Soldaten, Griechenland und Jugoslawien an. 484 Bomber und Stukas sowie 250 Jagdflugzeuge der Achsenmächte eröffneten den Krieg mit einem für die Zivilbevölkerung verheerenden Luftangriff auf Belgrad und auf jugoslawische Flugplätze. Deutsche Truppen fielen von der Steiermark, Ungarn, Rumänien und Bulgarien ins Land ein.
Bereits in den ersten Tagen des Krieges zeigte sich, dass die jugoslawischen Truppen dem konzentrierten Angriff der Wehrmacht nicht gewachsen waren. Überall durchbrachen die deutschen Panzerverbände die Abwehrstellungen. Am 17.April kapitulierte Jugoslawien.
Die Aufteilung des Landes
Der Vielvölkerstaat verschwand von der politischen Landkarte. Hitler und Mussolini ermächtigten die faschistische Ustaša unter ihrem Führer Ante Pavelic, auf dem Gebiet Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas den unabhängigen Staat Kroatien zu errichten. Serbien wurde unter deutsche Militärverwaltung gestellt, Slowenien zwischen dem deutschen Reich und Italien in Annexionsgebiete aufgeteilt. Ungarn besetzte die Region Vojvodina und Bulgarien Teile Mazedoniens.
Nach dem raschen Zusammenbruch der jugoslawischen Streitkräfte, so dachten die Oberkommandierenden der Wehrmacht, müssten vier Infanteriedivisionen und acht Landesschützenbataillone, insgesamt 25000 bis 30000 Mann ausreichen, um das Land unter Kontrolle zu halten. Welch ein Irrtum!
Als der Widerstand der Partisanen Ende 1942/Anfang 1943 immer stärker wurde, sah sich die deutsche Führung gezwungen, ständig weitere Truppen nach Jugoslawien zu verlegen. 1943/44 befanden sich 18 Wehrmachtsdivisionen mit 250000 Mann in Jugoslawien, um die ständig stärker werdende Volksbefreiungsarmee zu bekämpfen.
Der Angriff auf Jugoslawien war von Hitler nicht vorgesehen. Wegen des Überfalls auf Jugoslawien musste die Wehrmacht den ursprünglich für Mitte Mai vorgesehenen Angriff auf die Sowjetunion auf den 22.Juni verschieben. Einige Militärhistoriker behaupten, dass diese Verzögerung beim Angriff von Hitlers Armeen auf Moskau ursächlich für die Niederlage der Wehrmacht verantwortlich war. Dies mag eine Übertreibung sein. Richtig ist aber wohl, dass durch die Verzögerung der deutsche Angriff unter Wetterbedingungen stattfand, die für die deutschen Aggressoren nachteilig waren: Der am 2.Oktober 1941 begonnene Angriff auf Moskau blieb praktisch im herbstlichen Schlamm stecken. Der anschließende plötzliche Wintereinbruch Ende November mit eisigen Temperaturen hatte verheerende Folgen für die deutschen Soldaten, die nur für einen Sommerfeldzug ausgerüstet waren.