von Kurt Hofmann

Fein säuberlich getrennt. So verläuft das Leben des Ehepaares Höß in Auschwitz. Die Trennlinie ist nicht nur die Mauer zwischen dem von Frau Höß liebevoll angelegten Garten und den von ihrem Gatten Rudolf Höß geleiteten KZ. Sie steht auch paradigmatisch für die Ignoranz all derer, die ja, bewahre, keine Täter:innen waren, und nur »ihr Leben gelebt haben«, dabei alles relativierend, was außerhalb von Haus und Herd, »hinter der Mauer« vorging.

In The Zone of Interest kontrastiert Jonathan Glazer die familiäre Idylle mit dem hinter der Mauer zu Hörenden: Hundegebell, gebellte Befehle, Schreie… Die Tonspur legt offen, was aus gutem Grund nicht zu sehen ist, wird zur Anklägerin.

Hedi Höß pflegt ihren Garten und ist nur einmal empört: Als ihr Mann ihr mitteilt, dass er versetzt werden soll. Wer pflege denn dann ihr »kleines Reich« nach dem Auszug der Familie Höß? Sie jedenfalls sei fest entschlossen zu bleiben, auch wenn die Pflicht ihren Mann abberufe: »Jeder Wunsch, den meine Frau, den meine Kinder hatten, wurde erfüllt. Die Kinder konnten frei und ungezwungen leben. Meine Frau hatte ihr Blumenparadies. Die Häftlinge taten alles, um meiner Frau und den Kindern etwas Liebes zu tun … um ihnen eine Aufmerksamkeit zu erweisen. Es wird wohl auch kein ehemaliger Häftling sagen können, dass er je in unserem Haus irgendwie schlecht behandelt worden sei … Immer wieder hatten die Kinder im Garten auch besonderes Viehzeug … ob Schildkröten oder Marder, ob Katzen oder Eidechsen, stets gab es da etwas Neues, Interessantes im Garten. Oder sie plantschten im Plantschbecken … Ihre größte Freude war jedoch, wenn Vati mitbadete.« (Kommandant in Auschwitz. Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höß, dtv dokumente.)

Rudolf Höß, der Spezialist, der alles tut, um die industrielle Massenvernichtung noch effektiver zu machen. Wie er sich mit »Ingenieuren« berät, selbst »Verbesserungsvorschläge macht… Und: Der Familienvater, in dessen Erinnerungen auch seine Haussklaven, aus dem KZ für familiäre Dienste herangezogen, eine Rolle spielen. Da hätte sich keiner beschweren können – welch ein Zynismus. In The Zone of Interest zeigt ­Jonathan Glazer in einer bezeichnenden Szene, wie ein falsches Wort einer dieser grauen, angsterfüllten Existenzen im Haus Höß genügt hätte, um die darauf folgende Reaktion von Heidi Höß, der »Königin von Auschwitz« hervorzurufen, die zu ihrem Dienstmädchen aus dem Lager sagt: »Ich könnte meinem Mann empfehlen, deine Asche über die Felder von Auschwitz zu streuen!« Und probiert danach einen Pelzmantel an, eine Beute von »drüben«, von einer, die ihn »nicht mehr braucht«.

Banalität des Bösen? Jonathan Glazers The Zone of Interest, eben mit dem Oscar ausgezeichnet, ist jetzt schon einer der wichtigsten Filme des Jahres. Ohne Pathos, doch genau beobachtend. Dem Lanzmannschen Bildverbot folgend, doch gerade in der Aussparung das Wesentliche erfassend.