Zeitschrift „Ost-West-Gegeninformationen“ 1989 – 2008 nun digital zugänglich
Gemeinsam mit anderen haben Genoss*innen der SOAL als Alternativ-Sozialistisches Osteuropakomitee von 1989 bis 2008 das Magazin Ost-West-Gegeninformationen herausgegeben. In diese Zeitspanne fallen Ereignisse wie der Fall der Berliner Mauer und die dramatische Implosion sowie die Transformation der Sowjetunion und der Warschauer-Pakt-Staaten in „normale“ kapitalistische Staaten, die Yugoslawien-Kriege mit dem Zerfall des Experimentes Yugoslawien und vieles mehr.
Nun ist es soweit, die Ost-West-Gegeninformationen sind online zugänglich, eine historische Fundgrube – und ein schönes Stück Arbeit!
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Im Portal werden zwar noch ein paar Verbesserungen vorgenommen und die ersten beiden Jahrgänge noch ergänzt, aber immerhin…
Rückblick: Editorial der letzten Nummer der Ost-West-Gegeninformationen
Als Ende 1988 die Idee aufkam, in Graz eine linksalternative Osteuropazeitschrift herauszugeben, kündigten sich in Osteuropa große Veränderungen an: In der Sowjetunion waren die unter Gorbatschow eingeleiteten politischen und wirtschaftlichen Reformen, Glasnost und Perestroika, bereits im Gange, in Polen zeichneten sich Verhandlungen zwischen der Regierung und der jahrelang verbotenen Gewerkschaft „Solidarnosc“ ab, in Ungarn beschleunigte sich die Reformdynamik, in Slowenien sammelte sich eine Protestbewegung gegen angeklagte Redakteure der Jugendzeitschrift „Mladina“ und in den jugoslawischen Teilrepubliken wurden nationalistische Töne immer lauter.
Eine Gruppe linker Grazer AktivistInnen konnte zu diesem Zeitpunkt bereits auf einzelne Solidaritätsaktionen mit osteuropäischen Oppositionellen zurückblicken: Anlässlich der Gründung der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc im August 1980 und der Ausrufung des Kriegsrechts im Dezember 1981 organisierte das Komitee „Solidarität mit Solidarnosc“ Demonstrationen, Kundgebungen und Diskussionsveranstaltungen; Ludvik Kavin von der Charta 77 sprach 1983 auf einem 1.-Mai-Fest linker Gruppen im Forum Stadtpark, und während der Prozesse gegen Dissidenten in Belgrad und Ljubljana Ende der 1980er Jahre fanden Kundgebungen vor dem Konsulat der SFR Jugoslawien in Graz statt. Die in Wien vom Sozialistischen Osteuropakomitee ab 1980 herausgegebene, Ende 1987 eingestellte Osteuropazeitschrift „Gegenstimmen“ war auch in Graz vertrieben worden.
Nach einem Besuch bei Oppositionellen rund um die Zeitschrift „Independent Voices from Slovenia“ in Ljubljana Ende 1988 und anlässlich der Etablierung des „Runden Tisches“ in Polen wurde schließlich das Alternativ-sozialistische Osteuropakomitee gegründet, das die sechzehnseitige Nullnummer der „Ost-West-Gegeninformationen“ herausgab. Die Erneuerungspolitik in der Sowjetunion zeigte zu diesem Zeitpunkt nicht nur Auswirkungen auf die einzelnen Republiken des Vielvölkerstaates, sondern auch in den anderen osteuropäischen Ländern wurde der Monopolanspruch der Kommunistischen Parteien zunehmend in Frage gestellt. Und diesmal mussten diese demokratischen Basisbewegungen nicht wie in Ungarn 1956, in der ČSSR 1968 und in Polen 1980/81 vor einer sowjetischen Militärintervention zittern – so zumindest die Meinung der Redakteure. Die Ost-West-Gegeninformationen sollten unter diesen Rahmenbedingungen demokratischen und linken Oppositionellen eine Möglichkeit bieten, ihre Positionen im deutschsprachigen Raum zu veröffentlichen, und Oppositionellen in Osteuropa die Einschätzungen fortschrittlicher ExpertInnen aus westeuropäischen Ländern zugänglich machen. Von Anfang an funktionierte dies nur, weil die Arbeit der Redakteure ehrenamtlich erfolgte und die AutorInnen auf Honorare verzichteten.
In dieser ersten Phase war die Gruppe angewiesen auf Erfahrungen und Kontakte der ehemaligen Gegenstimmen-Redakteure und auf die Unterstützung durch die Redaktion der in Wien von der Sozialistischen Alternative (SOAL/IV. Internationale) herausgegebenen Zeitschrift „die linke“. In Wien wurden die von Graz gelieferten Texte gesetzt, in Graz wurde das Layout geklebt, die Zeitschrift in der selbst verwalteten Druckerei „Druckwerk –Verein für Medienarbeit“ gedruckt und von der Redaktion vertrieben. An ein Büro war nicht zu denken, die Redaktionssitzungen wurden in Gasthäusern, später im Büro der Alternativen Liste Graz, der Dezentrale für Alternativen, abgehalten. Die Dezentrale blieb zehn Jahre lang die Kontaktadresse der Zeitschrift.
Neben der Herausgabe der Vierteljahresschrift entwickelte das Osteuropakomitee eine Reihe von anderen Aktivitäten: Ende April 1989 versammelten sich zum Beispiel auf Einladung des Komitees AktivistInnen aus Slowenien, Ungarn, der BRD, der Schweiz und aus Österreich in Graz. In zwei Arbeitskreisen zu den Themen Ökologie sowie Frieden und Abrüstung diskutierten Vertreter von BürgerInneninitiativen über gemeinsame Schritte; die politische Entwicklung wurde unter dem Titel „EG – Ausweg aus der Krise?“ in einer gut besuchten Abschlussveranstaltung analysiert. Damals mussten für die Einreise von Jugoslawien und Ungarn nach Österreich noch Visa beantragt werden…
Aber bereits Ende 1989 überstürzten sich die Ereignisse: Während eines Besuchs von Vertretern des Komitees bei ungarischen Oppositionellen im November 1989 fiel die Berliner Mauer. Im Dezember trat die KP-Regierung in Prag nach Massendemonstrationen und einem Generalstreik zurück, der Charta-77-Sprecher Vaclav Havel wurde zum Übergangspräsidenten gewählt. In Rumänien stürzte eine Bewegung nach blutigen Auseinandersetzungen die Regierung, Präsident Ceauşescu – erst am 24.11. als Parteichef wiedergewählt und soeben von einem Staatsbesuch aus dem Iran zurückgekehrt – sowie seine Frau Elena wurden festgenommen und hingerichtet. Kein Wunder, dass das Interesse an den Vorgängen in Osteuropa nun auch in Westeuropa deutlich anstieg und mit ihm das Interesse an den Ost-West-Gegeninformationen: Im Jahr 1990 erschienen bereits vier, mittlerweile vergriffene Ausgaben zu den Themen Landwirtschaft, Ökologie, Frauen und Stalinismus.
In dieser Zeit war die Herausgabe von Heften häufig mit der Einladung an AutorInnen, nach Graz zu kommen, verbunden. So diskutierten anlässlich des Erscheinens des „Frauen-Heftes“ Frauen aus der DDR, Slowenien und Österreich im Grazer Frauenkulturzentrum „Fabrik“. Hans-Jürgen Schulz, Autor mehrerer Bücher über die Sowjetunion, und Vladimir Pjatin, Sekretär der UdSSR-Botschaft, analysierten auf der Grazer Universität die aktuelle Entwicklung; mit demselben Thema setzten sich auch Jakob Moneta von der IG-Metall und Profil-Journalist Michael Siegert ebenfalls auf der Universität auseinander. Und Joszef Pinior, legendärer Solidarnosc-Untergrundführer und Vizepräsident der Polnischen Sozialistischen Partei, referierte über die Entwicklung in Polen. Valentina Tichanova, führende Mitarbeiterin der antistalinistischen Moskauer Memorial-Gruppe, sprach in Graz auf Einladung des Komitees, der Wiener Memorial-Gruppe rund um Fritz Keller und Rosa Puhm sowie des Grazer Renner-Instituts.
Diese Aktivitäten waren aber nur möglich, weil sich der Kreis um Piotr Dobrowolski, Johann Gaisbacher und Johann Schögler, die Gründer der Zeitschrift, erweiterte: Andreas Haigermoser, Hans-Peter Meister, Christian Promitzer, Ursula Schleich, Christian Stenner, Barbara Sax und Joachim Frank stießen dazu und engagierten sich im Komitee. Mit der zunehmenden Anzahl von MitarbeiterInnen, dem Ausbau der Kontakte zu Oppositionellen und zu Osteuropa-ExpertInnen nahm auch der Umfang der Zeitschrift kontinuierlich zu, so dass die „Produktion“ ab Heft 1-2/91 zur Gänze nach Graz verlagert und ein neues Layout entwickelt wurde, das im Wesentlichen bis zur letzten Nummer unverändert blieb. Freilich gab es damals weder Internet noch E-Mail, die Maschinen geschriebenen Texte, allesamt erstmals in deutscher Sprache veröffentlicht, erreichten die Redaktion per normaler Post, wurden in Graz übersetzt, eingetippt und auf einem heute museumsreifen PC gelayoutet.
Wurde über die Vorgänge in Jugoslawien – auch wegen der geografischen Nähe, dem multiethnischen Charakter des zweiten Jugoslawien sowie seinen Versuchen der Arbeiterselbstverwaltung – schon von der ersten Nummer an regelmäßig berichtet, so erschienen 1991 wegen der Zuspitzung der Krise auch mehrere Schwerpunkthefte: Slowenien und Kroatien erklärten sich unabhängig, ein interethnischer Krieg begann, „dessen Intensität in der europäischen Nachkriegsgeschichte seinesgleichen sucht“ (OWG 6a/91, Editorial). Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 1 000 Tote zu beklagen und es war nicht absehbar, welch fatale Entwicklung noch folgen sollte. Das Komitee beteiligte sich auch an Aktionen gegen den Krieg, organisierte gemeinsam mit Doris Pollet-Kammerlander vom Verein „Alpen-Adria-Alternativ“ eine Veranstaltungsreihe mit Referenten aus den einzelnen Republiken sowie mit dem Grazer Büro für Frieden und Entwicklung eine Veranstaltung über die Medienpolitik im ehemaligen Jugoslawien; es unterstützte auch die Initiative „Workers Aid for Bosnia“, die Hilfskonvois nach Tuzla organisierte. Die Betroffenheit über den kriegerischen Zerfall des Vielvölkerstaates führte 1992 zur Herausgabe des Sammelbandes „Krieg in Europa, Analysen aus dem ehemaligen Jugoslawien“[1], der sich im Besonderen an die AktivistInnen der Friedens- und Alternativbewegung richtete. Die Analysen von WissenschafterInnen und Intellektuellen aus dem ehemaligen Jugoslawien, aber auch aus Österreich, Deutschland und der Schweiz sollten ein besseres Verständnis der aktuellen Vorgänge ermöglichen.
In dieser Phase waren Vlasta Jalusič und Tonci Kuzmanič (Ljubljana), Birgit Althaler (Basel), Catherine Samary (Paris), Nenad Zakošek und Milorad Pupovac (Zagreb), Paul Fonder-Larsen (Kopenhagen/Moskau), Klaus Segbers (Ebenhausen), David Mandel (Montreal), Heinz Pfandl und Karl Kaser (Graz) wichtige RatgeberInnen. Auch mit Gus Fagan, verantwortlicher Redakteur der in London herausgegebenen Zeitschrift „Labour Focus on Eastern Europe“, mit Roland Brunner von der Züricher Medienhilfe Ex-Jugoslawien sowie mit Kathi Hahn vom Alternativen Informationswerk AIM wurde ein ständiger Austausch gepflegt. Bei Einzelheften gaben uns Elisabeth Kauer, Georg Wiesinger und Walter Sauer (Wien) sowie Holm Sundhaussen (Berlin) wichtige Hinweise. Im Laufe der Jahre hat die Redaktion auch ein Netz von KorrespondentInnen aufgebaut: Laszlo Andor (Budapest), Stepan Steiger und Adam Novak (Prag), Janko Sekaj (Bratislava), William Totok (Berlin), Julian Bartosz (Wroclaw), Boris Kagarlitzkij (Moskau), Catherine Samary (Paris) und Mladen Lazić (Belgrad) schrieben ab 1994 regelmäßig in den Ost-West-Gegeninformationen und stellten zudem Kontakte zu weiteren AutorInnen her.
Die Produktionsbedingungen der Zeitschrift haben sich gegen Ende der 1990er Jahre wesentlich verändert: Mit dem Internet standen bessere Recherchemöglichkeiten zur Verfügung, die Layout-Programme übernahmen diakritische Zeichen und der Kreis jener, die sich wissenschaftlich mit Osteuropa beschäftigt, hatte sich vergrößert. Die Kontaktaufnahme mit AutorInnen musste nicht mehr per Telefon und langwierig per Brief erfolgen, sondern wurde ab 1995 über E-Mail vereinfacht. Die Antworten und Texte langten in Lichtgeschwindigkeit ein. Zurückgegangen ist jedoch der Kreis jener, die an den Entwicklungen in Ost- und Südosteuropa Interesse zeigen, nachdem die erste Umbruchphase überwunden und die Kriege im ehemaligen Jugoslawien beendet worden waren, aber auch Hoffnungen auf einen „Dritten Weg“ sich als obsolet herausgestellt haben. So stagnierte die Auflagenzahl seit Mitte der 1990er Jahre. Abo-Abbestellungen und -Neubestellungen hielten sich im Wesentlichen die Waage, obwohl ein reger (kostenloser) Inseratentausch mit linken, antimilitaristischen und friedenspolitischen bundesdeutschen, schweizerischen und österreichischen Zeitschriften gepflegt wurde und immer wieder positive Rezensionen von Einzelheften veröffentlicht wurden, auch in renommierten Tageszeitungen. Wegen des abnehmenden Interesses wurde nur noch sporadisch zu Veranstaltungen geladen: zumeist anlässlich der Herausgabe von Büchern des Wiener Promedia-Verlags und zwar in Kooperation mit der Grazer Monatszeitschrift KORSO und dem Center fort he Study of Balkan Societies and Cultures an der Universität Graz.
Ein wichtiges Datum in der Geschichte der Ost-West-Gegeninformationen ist das Jahr 1999. Ab Heft 1/99 fungierte das Center for the Study of Balkan Societies und Cultures (CSBSC) neben dem Alternativ-sozialistischen Osteuropakomitee als Mitherausgeber. Das Center wurde 1998 von Mitarbeitern der Abteilung für Südosteuropäische Geschichte an der Universität Graz gegründet und betreibt gegenwartsrelevante Forschungen über den Balkanraum. Die meisten Mitarbeiter des CSBSC hatten sich schon an früher an Nummern der Ost-West-Gegeninformationen beteiligt: Christian Promitzer, Ulf Brunnbauer, Hannes Grandits, Robert Pichler, Martin Prochazka. Die redaktionelle Koordination übernahmen ab diesem Zeitpunkt – von Einzelheften abgesehen – Ulf Brunnbauer und Johann Gaisbacher (zuvor Johann Gaisbacher bzw. Johann Gaisbacher und Christian Stenner), ab 2004 auch Hannes Grandits; die Redaktionssitzungen fanden nunmehr an der Abteilung für Südosteuropäische Geschichte, der neuen Kontaktadresse, statt. Georg Fuchs gestaltete ab diesem Zeitpunkt das Layout (zuvor waren Andreas Haigermoser, Christian Stenner und Johann Gaisbacher jeweils für einige Jahre die „Zeitungsmacher“).
Mit der Übersiedelung von Ulf Brunnbauer an die Freie Universität Berlin im Jahr 2003 konnte auch das dortige Osteuropa-Institut, Arbeitsbereich Geschichte und Kultur, als Mitherausgeber sowie Katrin Bergholz als Mitarbeiterin gewonnen werden; in Graz stieß Elisabeth Vogel dazu. Das Alternativ-sozialistische Osteuropakomitee nannte sich fortan Verein „Ost-West-Gegeninformationen“; die Zielsetzung des Vereins und der Zeitschrift blieb jedoch die Gleiche: „Wir fühlen uns solidarisch mit jenen Gruppen und Personen in Ost- und Südosteuropa, die demokratische, solidarische, ökologische und globalisierungskritische Wege abseits von Neoliberalismus, Nationalismus und autoritären Bestrebungen beschreiten.“ Gruppen in Ost und West sollen über Informationsaustausch, Diskussionen und Veröffentlichungen einander näher gebracht werden. Während sich Anfang der 1990er Jahre Oppositionelle bei Konferenzen linker Gruppen und Zeitschriften austauschten (z.B. Mitte Juni 1990 auf Einladung der „Leva Alternativa“ in Prag und im April 1991 auf Einladung der Zeitschrift „Eszmelet“ [Bewusstsein] in Budapest), so begegnen sich Oppositionelle, darunter zahlreiche AutorInnen der Ost-West-Gegeninformationen, mittlerweile auf den diversen Sozialforen, sei es das Europäische wie zuletzt in Athen oder das Globale (zuletzt in Nairobi) – Johann Schögler hat auf all diesen Foren (und ihren Vorbereitungssitzungen) Kontakte geknüpft bzw. gepflegt.
Während dieser Jahre haben sich die politischen Bedingungen in den ost- und südosteuropäischen Ländern gründlich geändert, und damit auch die Ausrichtung der Ost-West-Gegeninformationen. Schon bald nach 1989 wurde klar, dass es einen „dritten Weg“ nicht geben werde, sondern dass sich die Reformstaaten am westeuropäischen Modell orientierten, was sich im Ziel, NATO und EU beizutreten niederschlug; in einigen ehemaligen Republiken der Sowjetunion wiederum kam die Demokratisierung nicht sehr weit – auch sie boten also keine Alternative. Mittlerweile sind zehn Länder der Region der EU beigetreten und weitere verfolgen dieses Ziel. In diesen ehemals realsozialistisch regierten Staaten, heute EU-Mitglieder gelten nun die vier kapitalistischen EU-Freiheiten des Kapitals, der Dienstleistungen, des Waren- und des Personenverkehrs (letztere Freiheit allerdings mit Einschränkungen); die osteuropäischen Ökonomien wurden auf den Bedarf der Märkte in den westeuropäischen Zentren ausgerichtet, während weite Teile der Bevölkerungen verarmten und vom Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre keineswegs profitieren konnten.
Mit dem Fallen des Eisernen Vorhanges sowie der europäischen Integration Ost- und Südosteuropas ist auch das kulturelle Interesse an dieser Region deutlich gestiegen, und zwar nicht nur in Bezug auf Literatur. Populäre „Russen“- und „Balkan“-Diskos verweisen auf die Attraktivität osteuropäischer und südosteuropäischer Kultur über die jeweiligen Emigrantengemeinschaften hinaus; gleichzeitig ist aber das politische Interesse v.a. junger Menschen an Osteuropa stark zurückgegangen. Die heute jungen Erwachsenen kennen den Realsozialismus nur mehr aus Filmen wie „Goodbye Lenin“. Unter diesen Voraussetzungen erwies sich eine – dringend notwendige – Erweiterung und Verjüngung der Redaktion als unmöglich. Dies ist – neben der immer wieder problematischen Finanzierung einzelner Ausgaben, u.a. wegen der Marktorientierung der Post – der Hauptgrund dafür, warum wir uns entschlossen haben, die Ost-West-Gegeninformationen einzustellen. Das vorliegende Heft ist daher die letzte Ausgabe. Wir meinen, dass die Zeitschrift eine wichtige Aufgabe erfüllt hat – unter den sich geänderten Rahmenbedingungen erscheint uns ihre Fortführung nicht mehr machbar.
In dieser letzten Ausgabe wollen wir noch einmal einen Rückblick auf die „Transformationen“ hin zu bürgerlicher Demokratie und Marktwirtschaft geben. Dazu haben wir eine Auswahl von Artikel getroffen, welche die wichtigen Stationen dieser Transformation besonders gut beschreiben und analysieren. Diese und andere Artikel, die wir in den vergangenen 18 Jahren publiziert haben, verdeutlichen zudem, wie schwierig es sowohl für AktivistInnen als auch ExpertInnen war, treffsichere Prognosen zu erstellen. Leider sind viele dieser Prognosen nicht eingetreten, denn die Geschichte haben andere, Mächtigere geschrieben. Vielleicht sind wir auch enttäuscht – enttäuscht darüber, dass alternative Gesellschaftsentwürfe nicht realisiert werden konnten und Massenbewegungen gegen neoliberale Reformen ausgeblieben sind – aber: Ein Ende bedeutet immer auch einen Neubeginn. Und schließlich dürfen einige Errungenschaften der Wende nicht vergessen werden.
Die Herausgabe der Ost-West-Gegeninformationen über so viele Jahre wäre nicht möglich gewesen, hätten uns – wie bereits erwähnt – die AutorInnen ihre Texte nicht kostenlos zur Verfügung gestellt, wäre die Zeitschrift nicht von vielen LeserInnen abonniert worden und hätten die ÜbersetzerInnen nicht auf marktübliche Honorare verzichtet. Die Arbeit der Redaktion erfolgte selbstverständlich ehrenamtlich. Trotzdem hätte es ohne finanzielle Unterstützung durch die Publizistikförderung des Bundeskanzleramtes sowie durch die Grüne Bildungswerkstatt, die nie in die inhaltliche Gestaltung der Zeitschrift eingegriffen hat, sowie ohne phasenweise Unterstützung durch das Renner-Institut, mit dem zwei gemeinsame Hefte publiziert wurden, und die Universität Graz die Zeitschrift nicht gegeben. Ihnen allen gilt unser Dank!
Johann Gaisbacher, Johann Schögler, Ulf Brunnbauer
[1] Johann Gaisbacher, Karl Kaser, Christian Promitzer, Barabara Sax, Johann Schögler (Hgg.): Krieg in Europa: Analysen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Linz: ed. Sandkorn; Frankfurt am Main: dipa-Verlag, 1992.