The Last Winter of Gas

Erstmals Gegenwind für die Europäische Gaskonferenz in Wien.
Die trotzige Parole Last Winter of Gas passte der Gaslobby natürlich nicht. Denn die vom 27. bis 29.März 2023 in Wien versammelten europäischen Gaskonzerne hatten allen Grund zum Feiern.

Als Krisengewinnler und Triebkräfte des EU-Klassifikationsschemas, das Investitionen in Atomkraft und Gas als nachhaltig einstuft, fuhren sie gigantische Profite ein. Allein die Shell-Aktie hat sich seit 2020 mehr als verdoppelt; nicht wenig dazu beigetragen hat das Flüssiggasgeschäft. Die österreichische OMV war 2022 mit einem Nettogewinn von 5,1 Mrd. Euro auch zufrieden. Ihre Manager kassierten 6,2 Millionen Euro »Erfolgs-Boni«.

Die erstmals 2010 durchgeführte Europäische Gas-Konferenz führte in diesem Jahr 400 Lobbyist:innen und »Expert:innen« aus 35 Ländern zusammen. In 100 Hinterzimmergesprächen fixierten Vertreter:innen u.a. von Vattenfall, Blackrock, RWE Supply & Trading GmbH, OMV, Total, ENI, Raiffeisen Bank International, BP, der EU-Kommission, des österreichischen Energieministeriums und des deutschen Kanzleramts die Gaszukunft Europas.

Natürlich wurde über die Inhalte nichts verlautbart. Journalist:innen wurde nur sehr begrenzter Zugang gewährt. Für Exklusivität sorgte auch das 3-Tage-Ticket für 5100 Euro. Dafür bekam man neben Champagner auch einen privaten Concierge fürs Networking gestellt.

Friktionen

Viele Jahre unbeachtet und ungestört, gab es diesmal viel Gegenwind diverser Akteur:innen. Zwei miteinander verwobene Formate präsentierten unterschiedliche Ansätze. Die Konferenz »Power to the people« bot Perspektiven im Umgang mit der Gaslobby. Zahlreiche Workshops und Plenardebatten drehten sich um steigende Energiepreise und den Ausbau der Gasinfrastruktur. Thematisiert wurde auch der neokoloniale Zugriff auf Afrika und die Vergesellschaftungsfrage. Ebenso kamen das Greenwashing der Gaskonzerne und die Gier der internationalen Investorenszene zur Sprache.

Das Bündnis Blockgas war die aktionsorientierte Komponente. Aus der BRD waren Ende Gelände und die IL sichtbar vertreten. Ein Blockadeversuch zu Konferenzbeginn wurde schon im Ansatz u.a. von der Eliteeinheit WEGA und einer Diensthundestaffel erstickt.

Gepfeffert, geschlagen und gekesselt wurden über 143 Aktivist:innen festgenommen und weggesperrt. Amnesty International kritisierte dieses Vorgehen als »sehr aggressiv« und konstatierte, dass »unverhältnismäßig Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt« wurden.

Davon unbeeindruckt blockierten am Dienstagmorgen Hunderte viele Stunden lang Strassen- und Gleiszugänge der einzigen österreichischen OMV-betriebenen Raffinerie Schwechat bei Wien.
Eine zeitlich beschränkte Hausbesetzung im 7.Bezirk nervte die Einsatzkräfte zusätzlich. Am Abend vereinigte sich der Protest zu einer beeindruckenden Demonstration von 6000 Menschen, die gemeinsam zum Veranstaltungsort Hotel Meriott zogen. Vor dem zur Festung ausgebauten Konferenzhotel artikulierte sich lautstark der Widerspruch zu den Gaskonzernen. Der dabei vom Bündnis Links angebotene »Sekt für alle statt Champagner für wenige!« wurde gern angenommen.

Am Mittwoch zierte ein riesiges Banner mit der Forderung »Stop Gas, Stop NeoCO2lonialism« das Wiener Rathaus.

Fazit

Es scheint, dass sich eine Internationale der Gasgegner:innen formiert. Die Lüge vom »sauberen Gas« wird immer mehr in Frage gestellt. Das kontinentale Bündnis Don’t Gas Africa, Koordinationen aus Portugal und anderen europäischen Ländern werden die Zusammenarbeit mit den einheimischen LNG-Initiativen vertiefen und Proteste gegenseitig praktisch unterstützen. Erste Konferenz- und Aktionstermine wurden ausgetauscht. Die afrikanischen Energieaktivist:innen wollen verhindern, dass ihr Kontinent wieder zur »europäischen Tankstelle« wird. Sie sagen klar: »Africa is on the frontline of climate crisis.« Spannend wird sein, wie sich der soziale und der ökologische Widerstand nachhaltig vernetzen wird. Die Ansätze bei der Gegenkonferenz waren richtungsweisend und müssen ausgebaut werden. Denn alle wollen: 2022/23 war »the last winter of gas«.


Zuerst erschienen in: SoZ – Sozialistische Zeitung (https://www.sozonline.de/2023/05/the-last-winter-of-gas/)


Die Sozialistische Zeitung (SoZ) erscheint seit November 1986, jetzt monatlich, in Köln.

Sie hat 24 Seiten, zum Abopreis von 65,- Euro im Jahr.
Sie wird herausgegeben vom Verein für solidarische Perspektiven (VsP).
Abobestellung: https://www.sozonline.de/abobestellungen/
Newsletter: https://www.sozonline.de/newsletter/