Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt (1)
… und verzeichnet einen starken Rückgang bei der Anzahl der Verurteilten
von der Redaktion unter Verwendung einer Presseunterlage des dema!nstituts, 27.11.2025
Will man dem Boulevard Glauben schenken, dann lauert an jeder Straßenecke in Wien ein Messerstecher – vorzugsweise einer mit „Migrationshintergrund“. Wer nur Österreich, heute oder die Kronenzeitung konsumiert, traut sich nicht mehr aus dem Haus, schon gar nicht nach Einbruch der Dunkelheit. Aber in Wirklichkeit ist alles ganz anders: Die Kriminalitätsrate und die Zahl der Verurteilungen sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich gesunken. Fazit: Wien ist eine sichere Stadt und Österreich gehört zu den sichersten Ländern der Welt. (Redaktion)
Kriminalität in Österreich – trotz sinkender Verurteilungen wird der öffentliche Eindruck maßgeblich politisch beeinflusst. (Presseunterlage von Günther Ogris, dema!nstitut)
Kriminalität bleibt ein Dauerthema in den Medien und war auch im Vorfeld der Nationalratswahl 2024 eines der meistdiskutierten Themen. In Gesprächen der Vorwahlkampfzeit rangierte es an fünfter Stelle von insgesamt 15 Themen. „Dass Kriminalität immer wieder unter die größten Sorgen der Bevölkerung gereiht wird, hat nur wenig mit den tatsächlichen Entwicklungen zu tun – es ist vor allem ein Ergebnis politischer Kommunikation“, betont Günther Ogris, Sozialwissenschafter und Vorsitzender des dema!nstituts #Demokratie für alle.
Ogris hat die vorliegenden österreichischen Daten umfassend analysiert – sowohl hinsichtlich langfristiger Trends als auch der Qualität und Aussagekraft der Datengrundlagen. Sein Fazit: Die Faktenlage zeichnet ein deutlich anderes Bild, als medial oft vermittelt wird.
Langfristiger Rückgang der Kriminalität – Eigentums- und Gewaltkriminalität deutlich gesunken
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Seit dem Höhepunkt im Jahr 1959 ist die Zahl der gerichtlichen Verurteilungen um 78 Prozent gesunken. Damals wurden über 123.000 Menschen als Straftäter:innen verurteilt – 4,5-mal so viele wie im Jahr 2024.
Dieser Rückgang zeigt sich quer durch die Kriminalitätsbereiche, sowohl bei Eigentumsdelikten als auch bei Gewaltverbrechen. Die langfristige Entwicklung belegt damit einen kontinuierlichen und deutlichen Rückgang der registrierten Kriminalität in Österreich.

Strukturelle Effekte: Diversion und Pandemie lassen Zahlen kurzfristig sinken
Zwei Ereignisse beeinflussten die Statistik kurzfristig besonders stark:
- Einführung der Erwachsenen-Diversion (2000/2001): Die Möglichkeit eines außergerichtlichen Tatausgleichs führte innerhalb eines Jahres zu rund 20.000 weniger Verurteilungen.
- Pandemie-Effekt (ab 2020): Während der Covid-19-Pandemie sank die Zahl der Verurteilten um etwa 4.000 Personen bzw. 17 Prozent – verursacht sowohl durch weniger Tatgelegenheiten während der Lockdowns als auch durch verschobene Gerichtsverfahren.

Kriminalitätsrate pro Kopf stark gesunken
Besonders eindrücklich ist der langfristige Vergleich: In den vergangenen 20 Jahren ist die Kriminalität pro Kopf um 43 Prozent gesunken.
Trotz eines Bevölkerungswachstums von 1,13 Millionen Menschen seit 2001 ging die Zahl der verurteilten Personen um 11.000 zurück. 2005 lag die Verurteilungsrate bei 555 pro 100.000 Einwohner:innen. 2024 beträgt sie nur noch 302 pro 100.000 – das entspricht lediglich 0,3 Prozent der Bevölkerung.

Auch Ausländerkriminalität rückläufig – trotz starkem Bevölkerungszuwachs
Ein weiteres zentrales Ergebnis betrifft die ausländische Bevölkerung in Österreich:
Obwohl die Zahl der ausländischen Staatsbürger:innen seit 2001 um ca. 1,1 Millionen Personen gestiegen ist, ging die Zahl der verurteilten Ausländer:innen von 14.000 auf 12.700 zurück. Auch hier zeigt sich deutlich ein langfristiger Rückgang.

Die Kriminalität in Wien ist rückläufig
Auch in Wien ist die Kriminalität deutlich rückläufig. Während die Wiener Bevölkerung um etwa 27 Prozent angewachsen ist, ist die Zahl der Verurteilten in den letzten 20 Jahren um 10 Prozent gesunken.
Die Kriminalitätsrate als Anteil der Bevölkerung ist in Wien seit 2005 um 60 Prozent gesunken (von 815 pro 100.000 Einwohner auf 329) und seit 2014 ist der Anteil der Verurteilten um 36 Prozent gesunken.
Das Jahr 2015 und die damalige Ankunft von Flüchtlingen zeigt weder bei der Zahl der Verurteilungen in den Folgejahren noch beim Anteil der Verurteilungen einen Effekt.

Die Jugendkriminalität geht zurück
Die Zahl der gerichtlich verurteilten Jugendlichen ist von 2005 bis 2024 um 37 Prozent gesunken, von 2.953 auf 1.881. Da die Zahl der Jugendlichen in Österreich nicht steigt, weil die meisten Einwanderer Erwachsene sind, sinkt die Rate der Verurteilten langsamer als die Anzahl. Aber auch der Anteil der verurteilten Jugendlichen ist um 29 Prozent gesunken.

Polizeiliche Kriminalstatistik versus Justizstatistik
Seit 2018 gibt es in der polizeilichen Kriminalstatistik eine neue Mehrfachzählung, seither unterscheiden sich die Zahlen der beiden Statistiken stark.
Welche Statistik zählt wie?
Justizstatistik (Statistik Austria im Auftrag des BMJ)
- Die Zahl der Verurteilten aus der gerichtlichen Justizstatistik. Auch dabei kommt es in Einzelfällen zu mehreren Verurteilungen pro Jahr.
Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS)
- Anzahl der Anzeigen pro Jahr
- „Tatverdächtigte“ Einmalzählung (2002 bis 2017)
- „Tatverdächtigte“ Mehrfachzählung (2018 bis 2024)
- Die Aufklärungsquote
Moderne Ermittlungsarbeit steigert Aufklärungsraten
Parallel zum Rückgang der Kriminalität wird auch die Ermittlungsarbeit der Polizei immer effizienter. Durch moderne Methoden wie Rufdaten- und Standortdatenauswertungen, die Analyse von Überwachungskameras mit Gesichtserkennung sowie biologische Tatortspuren aus der DNA-Datenbank können Täter:innen heute schneller und gezielter identifiziert werden.
Die Aufklärungsrate ist von etwa 40 Prozent in den Jahren 2000 bis 2010 auf über 50 Prozent in den Jahren seit 2017 gestiegen. Die Polizei wird durch den Einsatz zeitgemäßer Technologien immer wirkungsvoller – und trägt damit entscheidend zur objektiv hohen Sicherheit im Land bei.

Die neue Mehrfachzählung von „Tatverdächtigen“ seit 2018 ist irreführend
Im Jahr 2018 hat das Ministerium die Ermittlung der Zahl der „Tatverdächtigen“ umgestellt. Die neue Zählweise ist ein Index aus vier verschiedenen Phänomenen: Den ausgeforschten Tätern, den Tathandlungen, den Delikten und den Opfern. Ein Täter kann in einem Jahr zwei oder mehr voneinander unabhängige Tathandlungen begehen.
Eine Tathandlung kann gleichzeitig mehrere Paragraphen verletzen, also als mehrere Delikte gezählt werden. Sind bei Serientathandlungen (z.B.: Kellereinbruch, Einbruch in Autos in einer Garage) mehrere Opfer betroffen, geht jedes Opfer in die Zahl der Tathandlungen ein. Diese Art und Weise einen kombinierten Index zu ermitteln, hat Konsequenzen bei der Veröffentlichung der Zahlen, die sehr irreführend sein können.
Am 23. April 2025 hat das BMI Zahlen zur Jugendkriminalität2 veröffentlicht und korrekterweise auch angeführt, dass 3 Personen über 3.000 Delikten zugerechnet werden. Gleichzeitig wurde ein Anstieg der Tatverdächtigen um 4 Prozent publiziert. Ein einzelner „Systemsprenger“ macht aber etwa 3 Prozent der Tatverdächtigen Jugendlichen aus. Bereinigt man diese 3 Personen aus der Statistik sinkt die Zahl der Tatverdächtigen gegenüber dem Vorjahr um 6 Prozent.
Würde man die drei Systemsprenger als Teil der Wiener Jugendlichen Tatverdächtigen darstellen (2024 9.522), machen drei Systemsprenger 32 Prozent aller Tatverdächtigen aus.
Bei der Umstellung der Zählweise von 2017 auf 2018 wäre die Zahl der Tatverdächtigen bei einheitlicher Zählweise um 11 Prozent gesunken, publiziert wurde ein Anstieg um 4 Prozent.
Der Anteil der Verurteilten an den Tatverdächtigen sinkt.
Ein Anstieg an Tatverdächtigen lässt sich mit der gestiegenen Aufklärungsquote, der Änderung der Zählweise und der Bevölkerungsentwicklung weitgehend erklären und ist kein Hinweis auf gestiegene Kriminalität.
Die Tatsache, dass die Zahl der „Tatverdächtigen“ steigt, ist begleitet vom Umstand, dass der Anteil der Verurteilten Tatverdächtigen sinkt. Er hat sich seit 2005 (18,3 Prozent) bis 2024 (8,3 Prozent) mehr als halbiert.
Es ist zu vermuten, das ist nicht nur eine Folge der neuen Zählweise der Tatverdächtigen, sondern wahrscheinlich auch dadurch verursacht, dass durch die neuen Ermittlungstechnologien immer mehr „Beitragstäter“ ermittelt werden, bei denen dann die Suppe für die Staatsanwälte und Richter zu dünn ist.
Tatverdächtige mit Wohnsitz im Ausland
Unter die Tatverdächtigen mit ausländischer Staatsbürgerschaft werden nicht nur Menschen mit Wohnsitz in Österreich gezählt, sondern auch Durchreisende und Touristen.
2023 waren das 17 Prozent aller „Tatverdächtigten“. Es wäre sinnvoll, diese Zahlen zu bereinigen und getrennt darzustellen, weil man sonst zu falschen Schlüssen über die Ausländerkriminalität kommt.
Ogris: „Die Realität ist deutlich sicherer, als oft behauptet wird“
„Die Entwicklung ist klar: Österreich ist heute sicherer als vor Jahrzehnten. Die Bevölkerung lebt im historischen Vergleich in einem Land mit deutlich geringerem Kriminalitätsniveau“, resümiert Ogris. „Die politische und mediale Debatte spiegelt diese Realität jedoch nur sehr eingeschränkt wider.“
Fußnoten:
(1) https://www.laenderdaten.info/kriminalitaet-nach-laendern.php?full
(2) ORF
Quellen:
https://www.laenderdaten.info/kriminalitaet-nach-laendern.php?full
Statistik Austria
Justizstatistik (Statcube)
Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) des BMI
orf.at
Das dema!nstitut #Demokratie für alle beschäftigt sich mit wissenschaftlicher Evidenz für den demokratischen Diskurs, fördert Verständnis für Wissenschaft, Demokratie und Gesellschaft und ist auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tätig.
Günther Ogris ist Sozialwissenschafter und Methodologe, hat seit über 40 Jahren in der Sozialwissenschaft gearbeitet, hat von 1996 bis 2023 das SORA Institut geleitet und ist derzeit wissenschaftlicher Leiter der Mediatest Research GmbH und Vorsitzender des dema!nstituts #Demokratie für alle.
Vorspann von der Redaktion/ Text laut Presseunterlage des dema!stituts
