Militarismus und Klimakrise

Im Jänner 2021 erschien der Bericht Nr. 47 des Centre Delàs d’Estudis per la Pau mit dem Titel „Militarismus und Klimakrise. Eine notwendige Betrachtung“. In dem 84 Seiten umfassenden Bericht wird detailliert analysiert, wie Militarismus direkt zur Umweltkrise beiträgt, unter der der Planet leidet. Wir geben im Folgenden die einleitende Kurzzusammenfassung der Ergebnisse (Executive Summary, Seite 5–8) wieder.

Die Klimakrise umfasst eine Vielzahl miteinander verbundener Phänomene und wird das große globale Problem des 21. Jahrhunderts sein. Seit Jahrzehnten vom Mythos des unbegrenzten Wachstums geleitet, sind wir an den Punkt gelangt, an dem die Ausbeutung von Ressourcen die Kapazität der Erde überschreitet – wir haben das ökologische Gleichgewicht zerstört und wir nähern uns einem „Point of no Return“, dessen Überschreitung uns als Spezies auslöschen wird. Wir wissen, dass die globale Erwärmung außer Kontrolle geraten ist, wir sehen, dass der Raubbau an den natürlichen Ressourcen ohne jegliche Regulierung voranschreitet, wir werden von neuen Pandemien überrascht, aber trotzdem setzen die Herrschenden und die großen Konzerne weiterhin – vor dem Wohl der Mehrheit der Menschen und der Nachhaltigkeit des Planeten – auf kurzfristigen wirtschaftlichen Nutzen für einige wenige. Wir wissen, dass menschliches Handeln neue Pandemien begünstigt, weil die Abholzung der Wälder und der Verlust der Artenvielfalt den Sprung von Krankheitserregern vom Tier auf den Menschen begünstigen und zusätzlich auch noch zur globalen Erwärmung und der Klimakrise beitragen. Die globale Temperatur steigt weiter an und hinzu kommt, dass im Jahresdurchschnitt mehr als 26 Millionen Hektar Wald abgeholzt werden, was nachweislich zusätzlich zur Erwärmung und zur Ausbreitung neuer Viren und Epidemien beiträgt. Die aktuelle ökologische Krise kann sich leicht zu einem vollständigen planetarischen Kollaps entwickeln.

Laut einem kürzlich erschienenen IPBES-Bericht [*], der von 150 internationalen Expert*innen mit Unterstützung von 350 Mitarbeiter*innen erarbeitet wurde und auf der Analyse von mehr als 15.000 wissenschaftlichen Publikationen und der Untersuchung von lokalem und indigenem Wissen beruht, ist der Klimawandel ein direkter Motor, der die Auswirkungen weiterer negativer Einflüsse auf die Natur und das menschliche Wohlergehen zunehmend verschärft: „Im Durchschnitt sind etwa 25 Prozent der evaluierten Tier- und Pflanzengruppen bedroht, sodass etwa eine Million Arten bereits vom Aussterben bedroht sind – viele davon innerhalb weniger Jahrzehnte, wenn keine Maßnahmen gegen den voranschreitenden Biodiversitätsverlust ergriffen werden. Wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, wird sich das weltweite Artensterben weiter beschleunigen, ein Sterben, das jetzt schon zehn-, wenn nicht hundertmal höher ist als im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre.“ Der Bericht führt weiter aus, dass „die derzeitigen negativen Trends bei der biologischen Vielfalt und den Ökosystemen 80 Prozent (35 von 44) der Umsetzung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung in Bezug auf Armut, Hunger, Gesundheit, Wasser, Städte, Klima, Ozeane und Land untergraben werden.“

Ökologie und Militär

Aber man kann nicht über die Klimakrise sprechen, ohne Militärausgaben und Militarismus zu berücksichtigen. Denn, wie die Covid-19-Pandemie gezeigt hat, tragen weder ein nationales, auf ein Schutzkonzept basierendes Sicherheitsmodell, noch dessen militarisierten Lösungen dazu bei, die großen Probleme zu lösen, die die Menschheit hat und haben wird. Beide Krisen – die Pandemie und die ökologische Krise – sind global, während die sicherheitspolitischen Lösungen auf die Verteidigung nationalstaatlicher Grenzen ausgelegt sind und bei diesen grenzüberschreitenden Herausforderungen nutzlos sind.

Wir brauchen weniger Soldat*innen, weniger Flugzeuge und Waffen. Stattdessen brauchen wir mehr Ärzt*innen, mehr Krankenhäuser, nachhaltige Energiegewinnung und Lösungen, die den Bedürfnissen aller Menschen gerecht werden. Wir haben jahrzehntelang die falschen Prioritäten gesetzt. Es ist an der Zeit zu bedenken, dass Militärausgaben einen großen Teil der öffentlichen Ressourcen verschlungen und eine falsche Vorstellung von Sicherheit vermitteln, die nichts mit den Bedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung und den Rechten auf Gesundheit, Bildung, Energiegerechtigkeit, Wohnen und Lebensqualität zu tun haben. Es ist an der Zeit, darauf hinzuweisen, dass auch das Militärsystem einen großen Anteil an den Emissionen und der globalen Erwärmung hat. Es werden konstruktive Lösungen für die Menschen und unseren Planeten benötigt, keine destruktiven „Lösungen“, die auf Zwang, Beschneidung von Rechten, Gewalt und bewaffneten Konflikten basieren. Es ist daher an der Zeit, eine Änderung der Prioritäten und einen Ressourcentransfer zu fordern, indem die Mittel aus dem Militärhaushalt auf Posten übertragen werden, die den Aufbau neuer Schutzsysteme ermöglichen, die allen Menschen dienen.

Die wichtigsten Ergebnisse dieses Berichts

In Bezug auf Privilegien, die in der Plünderung von Ressourcen wurzeln:

  • Die Top-Waffenexportländer stellen zusammen 35,48 Prozent der Weltbevölkerung, konzentrieren 82 Prozent der globalen Militärausgaben und sind für zwei Drittel der globalen CO2-Emissionen verantwortlich.
  • Diese Länder erzeugen 67,1 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, die die globale Erwärmung verursachen und sie repräsentieren die Machtzentren von mehr als 63.000 transnationaler Konzerne.
  • China, Großbritannien, Spanien, Israel, Italien, die Niederlande, Südkorea, die Ukraine, die Schweiz, die Türkei, Schweden, Kanada, Norwegen, die Vereinigten Arabischen Emirate, die Tschechische Republik, Weißrussland, Australien, Saudi-Arabien und Japan stellen etwas mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung (35,48 %), aber sie produzieren und exportieren praktisch alle Waffen, die auf der Welt hergestellt werden. Waffen, die am Ende Konflikte auslösen und Menschen töten, vor allem in den Ländern, die am meisten vom Klimawandel betroffen sind.

In Bezug auf das herrschende System, militaristische Macht und bewaffnete Konflikte:

  • Umweltzerstörung führt zu Ressourcenknappheit, die vermehrt zu Konflikten zwischen Bevölkerungsgruppen führt und damit das Potenzial für den Ausbruch bewaffneter Konflikte erhöht.
  • Die Aufnahme des Klimawandels als relevanter Faktor in die strategischen Pläne der NATO ist ein Indikator für die Militarisierung der Klimafrage. Die Einbindung der Klimafrage kann zur Rechtfertigung von Erhöhungen der Militärausgaben genutzt werden, zu nuklearen Abschreckungsstrategien und zu „begründeten“ Militäreinsätzen von Bündnispartnern.
  • Jüngste sicherheitspolitische Dokumente, sowohl in Spanien, den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und der NATO, weisen auf den Klimawandel als sicherheitsrelevantes Element, als „Risikoverstärker“ oder „Bedrohungsmultiplikator“ hin. Aber die Verknüpfung des Klimawandels mit sicherheitspolitischen Aspekten birgt ein Risiko: die Militarisierung.
  • Das Konzept der Klimakriege entzieht sich der menschlichen Verantwortung für Kriege indem es behauptet, dass unkontrollierbare klimatische Faktoren die Ursache für diese Konflikte sind.
  • Die elf Länder, die als am stärksten von globalen humanitären Krisen und Naturkatastrophen bedroht gelten, sind Somalia, die Zentralafrikanische Republik, der Südsudan, Afghanistan, die Demokratische Republik Kongo, der Tschad, der Jemen, Niger, Burundi, Kamerun und Burkina Faso. Alle diese Länder sind derzeit in einen bewaffneten Konflikt verwickelt.

In Bezug auf Umweltemissionen und Umweltschäden durch Militärs:

  • Umweltzerstörung ist den Prozessen der Militarisierung inhärent. Da die Militärausgaben steigen, ist zu erwarten, dass die militärischen Umweltauswirkungen zunehmen werden.
  • Alle Phasen des militärischen Wirtschaftskreislaufs sind mit spezifischen Umweltschäden verbunden, vom Verbrauch von Energie und Ressourcen, die für die routinemäßigen militärischen Aktivitäten benötigt werden, über Waffentests, -produktion und -transport bis hin zum Wiederaufbau nach Konflikten und der Verschmutzung durch Giftmüll sowie der Abholzung, dem Verlust von Lebensraum und Ökosystemen, die aus der Militarisierung und bewaffneten Konflikten resultieren.
  • Die relevantesten Quellen von Treibhausgasemissionen im Zusammenhang mit dem Militärsektor sind Emissionen aus militärischen Anlagen und aus Aktivitäten, die nicht direkt mit Kriegsführungen zusammenhängen, Emissionen bei Truppenübungen (v.a. im Ausland und in Übersee), Emissionen aus der Militärindustrie.
  • Die CO2-Emissionen von Militärs werden weltweit auf 5–6% der gesamten Kohlenstoffemissionen geschätzt.
  • Die US-Militärausgaben sind die größten der Welt. Im Jahr 2019 waren es 732 Mrd. US-Dollar, das sind 38 % der weltweiten Militärausgaben und mehr als das Doppelte der gemeinsamen Militärausgaben von Russland (65,1 Mrd. US-Dollar) und China (261 Mrd. US-Dollar). Die USA haben die größte Kriegsmaschine der Welt. Das US-Militär verbraucht mehr Öl und emittiert mehr Treibhausgase als die meisten mittelgroßen Länder.
  • Wäre das US-Verteidigungsministerium ein Staat, wäre es der 47.-größte Emittent von Treibhausgasen in der Welt. Die militärischen Aktivitäten der USA waren im Jahr 2017 für den Ausstoß von 212 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich. Diese Emissionen sind fast doppelt so hoch wie die von Belgien (114 Millionen Tonnen) oder halb so hoch wie die von Frankreich (471 Millionen) im selben Jahr.

In Bezug auf die Verletzung von Menschenrechten:

  • An den Hauptmigrationsrouten, die von Menschen auf der Flucht vor Klimakrisen genutzt werden, gibt es militarisierte Mauern. Das bedeutet, dass Umweltvertriebene sich der militarisierten Gewalt dieser Mauern stellen und ihre Route ändern und verlängern müssen, um potenzielle Aufnahmeländer zu erreichen. Sie müssen dadurch noch höhere Risiken und Kosten eingehen.
  • Klimabedingte Zwangsumsiedlungen werden bis 2050 schätzungsweise mehr als 200 Millionen Menschen betreffen.
  • Von den zehn Ländern, die 2018 am stärksten von der Umweltkrise betroffen waren, befinden sich vier von ihnen (Japan, Deutschland, Indien und Kanada) auch in der Rangliste der 15 Länder mit den höchsten Kohlenstoffemissionen im selben Jahr. Und in der Rangliste dieser 15 Länder mit der größten Umweltverschmutzung haben vier von ihnen (die Vereinigten Staaten, Indien, Saudi-Arabien und Südafrika) Mauern gebaut, die die Migrationsrouten von Umweltflüchtlingen behindern.
  • Menschenrechtsaktivist*innen im Umweltbereich sind dreimal so häufig von Gewalt und Zwang betroffen wie Menschenrechtsaktivist*innen in anderen Zusammenhängen.
  • Von der Gesamtzahl der 2018 weltweit registrierten Tötungen von Menschenrechtsaktivist*innen (321 Tote) waren 77 % in Konflikte mit der Rohstoffindustrie und staatlich unterstützten Großprojekten verwickelt.
  • 2018 wurden 164 Umwelt- und Menschenrechtsaktivist*innen getötet, die vor allem gegen die Rohstoffindustrie, den Bergbau, Staudammprojekte, die Holzindustrie und die Agrarindustrie protestierten.
  • Lateinamerika und der asiatisch-pazifische Raum sind die Regionen mit der höchsten Zahl an Tötungen von Umwelt- und Menschenrechtsaktivist*innen, und Angehörige indigener Gruppen sind die Hauptopfer dieser Tötungen.

In Bezug auf eine notwendige ökologische Wende aus einer Friedensperspektive heraus:

  • Eine ökologische Wende muss notwendigerweise Prozesse der Abrüstung und Entmilitarisierung beinhalten: Reduzierung der globalen Militärausgaben, Umwandlung der Rüstungsindustrie in eine Industrie für erneuerbare Energien und Abbau des Atomwaffenarsenals.
  • Die notwendige Arbeit für den Frieden muss aus einem ökologischen Friedensansatz herausaus geschehen. Das heißt, sich der ökologischen Krise auch mittels Untersuchungen zur (direkten, strukturellen und kulturellen) Gewalt gegen die Natur zu nähern.
  • Im Kontext des Klimawandels wird so etwas wie Sicherheit ohne Klimagerechtigkeit nicht möglich sein. In diesem Sinne müssen Vorschläge für eine ökologische Wende notwendigerweise eine rigorose Untersuchung der aktuellen Militärausgaben, der Waffenproduktion und des Waffenhandels beinhalten. Ziel muss sein, Prioritäten für die Umverteilung der staatlichen Haushaltsausgaben zu erarbeiten, um von einem militärischen, auf nationalen Sicherheitskonzepten basierenden Ansatz, zu einem Ansatz überzugehen, der auf den Bedürfnissen und Rechten aller Menschen beruht.
  • Da es langfristige Sicherheit ohne soziale Gerechtigkeit nicht geben kann, muss die soziale Sicherheit in den Mittelpunkt gestellt werden. Die Lösung der Umweltkrise liegt auch in der internationalen Entmilitarisierung und Abrüstung.

In diesem Zusammenhang meinen wir, dass es notwendig ist, auf eine Ethik zu setzen, die alle Menschen und den Planeten in den Mittelpunkt stellt. Eine Ethik, mit deren Hilfe dieses patriarchale, kapitalistische und militaristische Modell, das die Umwelt und das Leben der Menschen zerstört, überwunden werden kann. Wir müssen anfangen in Begrifflichkeiten eines ökologischen Gleichgewichts zu denken, das umfassende Menschenrechte und Sorgfalt umfasst.

Es ist unerlässlich, dass sowohl im Kampf gegen die Umweltzerstörung als auch im Kampf für eine ökologische Wende die Reduzierung der globalen Militärausgaben ein Schwerpunkt ist und die Forderung einer Umverteilung dieser Mittel im Sinne einer Politik für Sicherheit und Frieden zentral ist. In diesem Sinne ist es wichtig, das herrschende Sicherheitsparadigma zu ändern und von einer militarisierten Sicherheitsvorstellung zu einer humanen und sozialen Vorstellung von Sicherheit zu wechseln.

Bericht Nr. 47: „Militarismus und Klimakrise. Eine notwendige Betrachtung“ (Executive Summary, Seite 5–8)
Barcelona, Jänner 2021

Herausgeber: Centre Delàs d’Estudis per la Pau
Koordination: Chloé Meulewaeter, Pere Brunet
Autor*innen: Gemma Amorós, Xavier Bohigas, Teresa de Fortuny, Anna Montull, Albert Orta Mascaró, Pere Ortega, Ainhoa Ruiz Benedicto und Quique Sánchez Ochoa

Übersetzung durch DeepL und Überarbeitung von Christian W. Nowak


(*) IPBES (2020): „Report of the Global Assessment on Biodiversity and Ecosystem Services“, Manuela Carneiro da Cunha, Georgina M. Mace und Harold Mooney, Eds. | pdf, 60 Seiten, verfügbar unter: https://ipbes.net/sites/default/files/2020-02/ipbes_global_assessment_report_summary_for_policymakers_en.pdf  (letzter Zugriff am 30. März 2021).
Die Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) (deutsch: Zwischenstaatliche Plattform für Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen, auch Weltbiodiversitätsrat oder Weltrat für Biologische Vielfalt genannt) ist eine UN-Organisation mit 136 Mitgliedsstaaten zur wissenschaftlichen Politikberatung zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung von biologischer Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen. (Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Intergovernmental_Platform_on_Biodiversity_and_Ecosystem_Services ), siehe auch IPBES-Webseite: https://www.ipbes.net/global-assessment (letzter Zugriff am 30. März 2021)


Der vollständige Bericht ist auf Katalanisch verfügbar (pdf, 84 Seiten) unter: http://centredelas.org/wp-content/uploads/2021/02/informe47_MilitarismoYCrisisAmbiental_CAST.pdf

Herausgeber des Berichts ist das Centre Delàs d’Estudis per la Pau (Barcelona): http://centredelas.org/publicacions/militarismeicrisiambiental/

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