Lützerath: Die Grünen werden dafür bezahlen. Selbst Umwelt-NGOs gehen auf Distanz zur ›Umweltpartei‹

von Hanno Raußendorf

Der Kampf um das Dorf Lützerath spitzt sich zu. Es bleibt als einziges Dorf von der Abbaggerung durch die Braunkohleförderung in Garzweiler II bedroht. Der Weiler ist unterdessen vom Stromnetz abgekoppelt, RWE droht mit der Räumung der besetzten Häuser bis spätestens Februar, will das Dorf noch in diesem Winter abreißen. Der zuständige Polizeipräsident Dirk Weinspach hat eine Räumung in diesem Jahr ausgeschlossen. Der Kampf um den Erhalt des Dorfes dürfte daher ziemlich bald nach der Jahreswende beginnen.

In den letzten Wochen lag eine Hoffnung der Klimabewegung darin, dass der bislang geltende Hauptbetriebsplan bis Jahresende ausläuft. Der konkretisiert bundes- und landesgesetzliche Vorgaben und Planungen und bildet die rechtliche Grundlage für den Betrieb des Tagebaus. Er wird alle zwei Jahre erneuert. Der auf Umwelt- und Bergrecht spezialisierte Rechtsanwalt Dirk Teßmer äußerte die Erwartung, dass Mona Neubaur, zuständige Ministerin in NRW und ihres Zeichens grünes Parteimitglied, nun die Möglichkeit habe, unabhängig vom Kohlekonzern RWE ein Moratorium für Lützerath zu verhängen, ohne Entschädigungszahlungen auszulösen, da es mit dem Auslaufen des alten Hauptbetriebsplans zu einer rechtlich »anderen Situation« komme. Aus juristischer Sicht könne sie den Antrag von RWE ablehnen lassen und den Konzern auffordern, stattdessen einen Hauptbetriebsplan vorzulegen, der zunächst den Abbau der Kohle vorsieht, die unter dem bereits weitgehend abgerissenen Dorf Immerath liegt, und sich nicht auch auf Lützerath erstreckt.

Das Bündnis »Alle Dörfer Bleiben« hat erklärt, für die kurzfristige Gewährleistung der Versorgungssicherheit sei eine Ausweitung des Tagebaus nicht nötig. Die Kohle unter Lützerath könne aus bergbautechnischen Gründen ohnehin nicht früher als in vier Jahren gefördert werden. Für eine zeitnahe Räumung gebe es daher keinerlei Notwendigkeit.
Christopher Laumanns, Pressesprecher des Bündnisses, meinte: »Auf die Energiesicherheit hätte das keine Auswirkungen, denn die noch ohne Inanspruchnahme von Lützerath förderbaren Kohlemengen reichen für Jahre. Die Landesregierung muss die Möglichkeit beim Schopf packen und mit einem Moratorium den sozialen Frieden bewahren, anstatt RWE weiter eskalieren zu lassen.«

Die Hoffnungen in die schwarz-grüne Landesregierung war allerdings verfehlt. Gegen alle klimapolitische Vernunft hält sie an dem mit Bund und RWE gefundenen Kompromiss fest. Ministerin Neubaur wies das zuständige Bergamt nicht an, dem Plan in der von RWE beantragten Form die Genehmigung zu verweigern. Anfang Dezember erließ die Bezirksregierung Arnsberg deshalb einen neuen Hauptbetriebsplan für die Jahre 2023–2025. Damit sind Förderung und Verbrennung von weiteren 90 Millionen Tonnen Braunkohle durch RWE nun rechtlich wieder gesichert. Das Land NRW verbaut sich die Chance, auf einen mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens kompatiblen Pfad einzuschwenken.

Dies dürfte die Entfremdung der Klimabewegung von der Grünen Partei weiter vorantreiben. Sein völliges Unverständnis äußerte z.B. Dirk Jansen, BUND-Geschäftsleiter in NRW: »Deutlicher kann die klimaschutzpolitische Ignoranz nicht zum Ausdruck gebracht werden. Es ist verstörend, dass diese bergrechtliche Zulassung ausgerechnet von einer grünen Wirtschaftsministerin verantwortet wird, die noch 2021 gemeinsam mit uns vor Ort für den Tagebaustopp demonstriert hat.«

Mit einem Entschließungsantrag an den Bundestag versuchte dagegen Anfang Dezember Die LINKE, der drohenden Zerstörung von Lützerath noch etwas entgegenzusetzen. Sie verlangte ein Moratorium für das Dorf und eine Neuüberprüfung der klimapolitischen und energiewirtschaftlichen Notwendigkeit eines Abbaus unter dem heutigen Lützerath auf der Grundlage neuer, unabhängiger und sachdienlicher Gutachten. Gleichzeitig solle sich die Bundesregierung für die Schaffung guter strukturpolitischer Rahmenbedingungen und eine schnelle Umsetzung der strukturpolitischen Maßnahmen einsetzen, um die Sozialverträglichkeit des beschleunigten Kohleausstiegs im Rheinischen Revier zu gewährleisten. Der Antrag blieb ohne Mehrheit.

Die Auseinandersetzung um Lützerath wird vor Ort und in den besetzten Häusern weiter geführt. Die Besetzung braucht neben politischer Unterstützung auch Geld- und Sachspenden. Nachdem RWE die Stromversorgung gekappt hat, muss nun eine solare Alternative aufgebaut werden. Der nächste Kampf um das 1,5-Grad-Ziel wird allem Anschein nach im Januar in Lützerath geführt.

Wer sich auf dem laufenden halten oder helfen will, siehe:
https://luetzerathlebt.info/.