Kommune von Paris, 18. März bis 28. Mai 1871: „Die Kommune ist eine Ode auf die Emanzipation“
von Olivier Besancenot
Unsere Genossen Olivier Besancenot und Michael Löwy haben aus Anlass des 150. Jahrestags der Pariser Kommune das Buch „Marx in Paris 1871: Jennys blaues Heft“[i] veröffentlicht. Julien Salingue, Redakteur von L’Anticapitaliste, der Wochenzeitung der NPA, hat sich hierüber mit Olivier Besancenot unterhalten.
Ihr habt für dieses Buch ein recht originelles „Format“ gewählt, denn es ist eine politische Fiktion, die davon handelt, Marx habe sich 1871 während der Kommune in Paris aufgehalten. Warum habt ihr euch dafür entschieden?
Das geht auf eine Diskussion mit Michael zurück, ich glaube, Michael hatte als erster die Idee, mit dem Ziel, etwas anderes zu machen als das, was bereits gemacht wurde und zum 150. Jahrestag der Kommune wieder gemacht werden wird. Im Grunde ging es darum, etwas Sinnvolles, Originelles zu finden, um Marxʼ Überlegungen zur Pariser Kommune lebendig darzustellen. Also haben wir uns diese heimlich unternommene, ziemlich unwahrscheinliche Reise von Marx vorgestellt und wie er von seiner Tochter Jenny mitten in die Kommune geführt wird und dort einige ihrer bekannten Persönlichkeiten trifft, um davon ausgehend Marxʼ politische Überlegungen zur Kommune in einen Kontext zu stellen. Es ist in der Tat bemerkenswert, in welchem Maße diese Überlegungen jeweils brandaktuell angestellt wurden. Es war eine ganz augenblicksbezogene Reflexion (der Aufruf an die Internationale [die erste Adresse des Generalrats über den Deutsch-Französischen Krieg vom Juli 1870], der Bürgerkrieg in Frankreich [geschrieben April/Mai 1871]), es waren aber auch politische, strategische, globale Fragestellungen. Das ist eine der großen Stärken von Marx: Er war imstande zu verstehen, dass aus den hervorsprudelnden Ereignissen selbst ein Emanzipationsprozess entstehen kann, den man sich nicht unbedingt auf dem Papier, in Denkfabriken oder auch in den Büros der Internationale vorgestellt hat. Marxʼ Schriften über die berühmte endlich gefundene Kraft der Emanzipation sind, wenn er sich zur Kommune äußert, äußerst weit fortgeschritten im Vergleich zu einer ganzen Reihe von Sektoren der Arbeiterbewegung und der revolutionären Bewegung, sogar mit Klängen, die manchmal libertärer sind als die von bestimmten Libertären. Sie enthalten eine Reflexion über Emanzipation, über die Konfrontation mit dem Staatsapparat, über die Notwendigkeit, Formen der politischen und demokratischen Souveränität aufzubauen…
Genau, um es sehr synthetisch zu formulieren: Was hat die Kommune für Marx geändert?
Ich würde sagen, es ist die Idee, dass es nicht ausreicht, dass der Staatsapparat vom Standpunkt der sozialen Klasse aus den Besitzer wechselt, damit sich der Charakter des Staates ändert; damit sich etwas daran ändert, dass er ein unterdrückendes System ist, eine „Boa constrictor“, um Marxʼ Ausdruck zu verwenden [Zweiter Entwurf zum Bürgerkrieg in Frankreich], die die Zivilgesellschaft und die Demokratie erstickt. Und dass er ausgelöscht werden muss, dass es gilt, sich auf die Auslöschung des Staates zuzubewegen, und einer der möglichen Wege zu dieser Auslöschung ist die Politik der Kommune in ihren Taten: die Abberufbarkeit der Mandatsträger, eine Obergrenze für die Vergütung der Mandatsträger, der Verwaltungsbeamten usw. All diese konkreten Maßnahmen fordern die Bürokratie in ihrem Kern heraus und damit den Staatsapparat. Mit der Kommune setzte das Erlöschen ein, was zwar wegen der Dauer der Kommune nicht wirklich das Licht der Welt erblicken konnte, aber immerhin war es ein Anfang, und das ist etwas, was Marx sofort verstanden und was er sofort analysiert hat. Und das sollte Auswirkungen auf die Überlegungen von Marx, auf die Debatten und die Kultur der Arbeiterbewegung im Allgemeinen haben.
Marx verfolgte alle Debatten und das, was in der Welt geschah, die sozialen und politischen Situationen, und obwohl er sich nicht vorstellte, dass der Aufstand von Paris ausgehen würde, stürzte er sich sofort in die Analyse der Kommune, während er doch ein wenig überrascht war und anfangs mit den Gedanken bei der Analyse des kapitalistischen Systems und seiner Krisen war. Und was schon etwas Besonderes ist, das ist die Erstellung von Analysen im Lichte des Ereignisses, das ist es, wenn er die Tragweite des Ereignisses erfasst.
Um all das in Szene zu setzen, stellt ihr euch vor, dass sich Marx und bestimmten Persönlichkeiten der Kommune in Paris während des Aufstandes begegnet wären. Wenn man das Buch liest, stellt man fest, dass bemerkenswert viele Frauen auftreten: Louise Michel, Élisabeth Dmitrieff, Nathalie Lemel und natürlich auch Jenny Marx, die ihren Vater begleitet. Wollt ihr damit die Rolle der Frauen in der Pariser Erhebung besonders betonen?
Das haben wir nicht unbedingt theoretisiert und konstruiert, aber als wir an konkrete Figuren dachten, haben wir erkannt, dass Frauen in der sozialen und politischen Geschichte der Kommune eine zentrale Rolle gespielt haben. Das war schon am von Beginn der Erhebung der Fall, als die Kanonen auf den Straßen von Montmartre gegen die mögliche Übernahme durch die [gegenrevolutionären] Versailler geschützt wurden, nachdem das „Comité de vigilance de Montmartre“, das Wachsamkeitskomitee der Bürgerinnen, in dem nicht zuletzt Louise Michel aktiv war, dazu aufgerufen hatte. Aber es geht auch um die Rolle und den Platz, den die Frauen entgegen dem damaligen Zeitgeist einnahmen, denn der Machismo war durchaus handgreiflich vorhanden, auch innerhalb der Internationale oder in den verschiedenen revolutionären Clubs. Ein revolutionäres Ereignis wie die Kommune, aber das gilt für alle revolutionären Ereignisse, ist der Ausfluss von Phänomenen, die schon monatelang oder noch länger in der Gesellschaft schwelten; das galt auch für Paris, unter anderem durch eine Vielzahl von revolutionären Clubs der Fall war, in die sich auch Frauen immer mehr eingeschaltet haben. Zu denken ist auch an die Belagerung von Paris durch die Preußen, während der Nathalie Lemel[ii] mit der Kooperative „La Ménagère“ (Die Hausfrau) und dem Restaurant „La Marmite“ (Der Kochtopf) im Zentrum der Solidarität und gegenseitigen Hilfe stand, um fast 10.000 elendig hungernden Parisern und Pariserinnen zu helfen. Die „Union des femmes“ (Frauenunion)[iii], die sich im Auge des Sturms der Kommune bilden sollte, war also das Produkt all dieser vorangegangenen Arbeit, und als Élisabeth Dmitrieff (als Repräsentantin der Internationale) ankam und an der Gründung der Union teilnahm, war ein großer Teil der Aktivitäten bereits im Gange und hatte Wurzeln geschlagen.
Sprechen wir über Élisabeth Dmitrieff.[iv] Wenn von den „Frauen der Kommune“ die Rede ist, wird am häufigsten Louise Michel genannt, wobei dann Élisabeth Dmitrieff manchmal, ja sogar oft „vergessen“ wird. Das ist in eurem Buch nicht so, darin nimmt sie einen wichtigen Platz ein, der ihrer Rolle während der Kommune entspricht.
Stimmt, sie ist weniger bekannt als Louise Michel[v], das ist irgendwie ein Name, mit dem man etwas verbindet, aber man weiß nicht so richtig was. Ihr Name steht für den Kampf für den Feminismus und den Kampf für die Rechte der Frauen mitten in der Kommune, mit der Frauenunion; aber darüber hinaus auch für den Kampf für die Selbstverwaltung. Élisabeth Dmitrieff und ihre Aktivitäten sind eines der ersten Beispiele für Selbstverwaltung in dieser Größenordnung.
Dmitrieff hat die Kommune ebenso sehr beeinflusst, wie sie deren Produkt gewesen ist. Sie war eine junge Russin, die nach Frankreich eingewandert war und für Tschernyschewskis Roman Was tun? [1863] schwärmte. Ein Roman, in dem sich die Heldin von ihrem eigenen Milieu mit den arrangierten Ehen emanzipiert und sich von den traditionellen Formen der Gütergemeinschaft und der Produktion, die es an bestimmten Orten der russischen Bauernschaft gab, der so genannten Obschtschina, Anregungen bezog und sie auf Arbeiterkooperativen übertrug. Von dieser Lektüre war Élisabeth Dmitrieff hellauf begeistert, sie emanzipierte sich von ihrer Umgebung, politisierte sich, vor allem an der Seite von politischen Flüchtlinge in der Schweiz, dort lernte sie Marxisten kennen, dann reiste sie nach London und traf Marx, diskutierte mit ihm … Über das alles hat Kristin Ross in ihrem Buch L’imaginaire de la Commune[vi] berichtet. Als Élisabeth Dmitrieff im November 1870 bei ihm [in London] eintraf, machte Marx sich ein Bild von ihr, ein genaues, dann schickte er sie während der Kommune als seine Abgesandte nach Paris, damit sie dort sein Auge und Ohr wäre.
Ein paar Tage später stand sie neben Nathalie Lemel und anderen an der Spitze der Frauenunion, ihr erstes Projekt, das sie mit Leo Frankel[vii] besprach, war die Gründung von selbstverwalteten Arbeiterkooperativen, in denen die Arbeiterinnen sich selbst bezahlten und zum Beispiel die Stoffe für die Sandsäcke für die Wälle oder die Uniformen der Nationalgarde herstellten. Also steht Dmitrieff auch dafür: für ein Experiment, das leider wegen der kurzen Dauer der Kommune ebenfalls frühzeitig beendet wurde.
Wie habt ihr die verschiedenen Personen ausgewählt, denen Marx in eurem Buch begegnet? Habt ihr versucht, Kriterien zu entwickeln, um einen „Überblick“ zu geben oder haben sich diese Personen von selber aufgedrängt?
Wir haben kein Casting gemacht, ich glaube, wir haben das aus dem Bauch heraus gemacht. Wie jedes Mal, wenn wir zusammen schreiben, haben wir die Kapitel unter uns aufgeteilt, Michael und ich, und dann sind die Namen fast wie von selber gekommen, sie waren rasch beisammen… Die Frage, die wir uns gestellt haben, denn das ist die Grenze des Genres, war das Risiko, eine Geschichte der Kommune ein wenig zu sehr „von oben“ zu schreiben, mit lauter Namen, die man schon kennt. Wovon wir uns haben leiten lassen, das waren die Schriften von Marx über die Kommune, so dass wir gehalten waren, dem Faden der politischen Beziehungen zu folgen, die Marx zu dieser Zeit hatte, oft aus der Ferne, und so haben wir ihn mit diesen Persönlichkeiten diskutieren lassen.
Unter dem Strich ist das also ein Buch über die Kommune, über das Denken von Marx, aber auch ein Buch, das etwas über die gegenwärtigen Verhältnisse aussagen möchte?
Die Kommune ist eine Ode an die Emanzipation, über die Zeiten hinweg, und eine gute Injektion gegen all die bürokratischen Fehler.
Sie ist auch eine Möglichkeit, etwas mehr Internationalismus aufzutanken. Denn ja, die Kommune entstand aus einem Volksaufstand gegen die Belagerung, den Vormarsch der Bismarck’schen Truppen und dem Willen, den Krieg zu gewinnen. Aber unter den großen Figuren der Kommune wie unter den anonymen Kommunard*innen gab es Tausende und Abertausende von Exilant*innen, vielfach politische, aber auch wirtschaftliche, preußische, italienische, polnische, russische usf. Die Kommune war ein internationalistischer Akt.
Und es ist auch ein Mittel, sich daran zu erinnern, dass unsere politische Geschichte nicht mit der russischen Revolution von 1917 begonnen hat. Sie hat ältere Wurzeln, und all die Debatten, die sich nach der Zerschlagung der Kommune durch die internationale Arbeiterbewegung hindurchgezogen haben (wobei vor allem hervorgehoben wurde, was die Kommunarden nicht geschafft hatten ‒ sich der Bank von Frankreich zu bemächtigen, auf Versailles zu marschieren usw.), erlauben uns zu verstehen, worin die politischen Obsessionen der Bolschewiki bestanden haben. Damit können wir Lenins berühmtes Tanzen im Schnee an dem Tag, an dem die russische Revolution einen Tag länger „durchgehalten“ hatte als die Kommune, besser verstehen.
Durch die Zeit hindurch ist die Kommune nicht nur wegen ihres Scheiterns von Bedeutung, sondern auch als lebendige Inspirationsquelle, die erste Erfahrung von Emanzipation und Volksmacht, von Macht der Ausgebeuteten und der Unterdrückten, mit all ihren Grenzen, die aber über die Jahrzehnte hinweg etwas zu sagen hat. Und wir stellen fest, dass dies auch 150 Jahre danach noch nicht eine beigelegte Angelegenheit mit den Mächtigen ist: Im herrschenden Denken hat die Kommune nach wie vor keine gute Presse, und wir können feststellen, wie sehr das gegenrevolutionäre Denken noch da ist.
Aus dem Französischen übersetzt und bearbeitet von Friedrich Dorn
Dieses Interview erschien am 18. März in der Wochenzeitung L’Anticapitaliste Nr. 560 unter der Überschrift „Olivier Besancenot: ,La Commune est une ode à l’émancipation, qui traverse le tempsʻ“.
https://lanticapitaliste.org/opinions/culture/la-commune-est-une-ode-lemancipation-qui-traverse-le-temps
Olivier Besancenot (Jg. 1974) war mit 14 Jahren in „SOS Racisme“ aktiv und ist mit 17 in die „Ligue Communiste Révolutionnaire“ (LCR) eingetreten, wurde 1998 in das Politische Büro der LCR gewählt, war 2002 und 2007 Präsidentschaftskandidat der LCR und von 2009 bis 2011 einer der Sprecher der „Nouveau Parti Anticapitaliste“ (NPA), er weigerte sich, Berufspolitiker zu werden und arbeitete nach einem Studium der Geschichte zunächst als Briefträger; inzwischen sitzt er bei „La Poste“ an einem Schalter in Paris.
Vor dem Buch über die Pariser Kommune hat er bereits drei Bücher zusammen mit Michael Löwy (Jg. 1938) vierhändig geschrieben:
▪ Che Guevara, une braise qui brûle encore, mit einem Beitrag von Daniel Bensaïd, Paris: Mille et une nuits, 2007 (engl. Ausgabe: Monthly Review Press, 2009);
▪ Affinités révolutionnaires. Nos étoiles rouges et noires. Pour une solidarité entre marxistes et libertaires, Paris: Mille et une Nuits, 2014, (dt. Ausg.: Revolutionäre Annäherung. Unsere roten und schwarzen Sterne, aus dem Französischen übersetzt von Elfriede Müller u. Andreas Förster, Berlin: Die Buchmacherei, 2016);
▪ La journée de travail et le „règne de la liberté“ (Karl Marx), [Paris]: Fayard, 2018 (dt. Ausg. in Vorbereitung).
[i] Olivier Besancenot u. Michael Löwy, Marx à Paris, 1871. Le Cahier bleu de Jenny, Pantin: Manifeste éditions, 2021, (Le Merle moqueur), 140 S., ISBN 978-2-9575215-3-1, 15 €.
Das Buch kann bestellt werden bei: Librairie La Brèche, Paris, Tel. 0033 1 49 28 52 44, contact@la-breche.com, https://www.la-breche.com/
Der Untertitel enthält eine Anspielung auf das berühmte, 48 Seiten umfassende „blaue Heft“, in dem Lenin von Ende 1916 bis Februar 1917 in Zürich Auszüge und Kommentare über „die Aufgaben der proletarischen Revolution im Hinblick auf den Staat“ notierte. Als er im April 1917 über Deutschland und Schweden in das revolutionäre Russland zurückkehrte, ließ er dieses Heft in der Schweiz zurück, weil er befürchtete, er werde verhaftet werden. Nachdem er es über Stockholm zurückerhalten hatte, nutzte er es im August 1917 in der Illegalität, um seine Broschüre Staat und Revolution ‒ Die Lehre des Marxismus vom Staat und die Aufgaben des Proletariats in der Revolution zu schreiben. Der Inhalt des „blauen Hefts“ wurde zuerst 1930 unter dem Titel „Marxismus und Staat“ veröffentlicht.
Jenny Caroline Marx (1844‒1883) war die älteste Tochter von Karl und Jenny Marx; sie heiratete 1872 den französischen Sozialisten Charles Longuet (1839‒1903) und starb zwei Monate vor ihrem Vater im Alter von 38 Jahren.
[ii] Die Sozialistin und Feministin Nathalie Lemel oder Le Mel (1826‒1921), geboren als Perrine Natalie Duval, wuchs in der Bretagne auf und schloss sich der Internationalen Arbeiter-Assoziation (IAA) an, zog 1868 aus der ehelichen Wohnung aus, gehörte dem Zentralkomitee der „Union des femmes“ an, wurde nach der Niederschlagung der Kommune durch die Truppen der Regierung in Versailles zusammen mit Louise Michel in die Kolonie Neukaledonien deportiert.
[iii] Der vollständige Namen lautet: „Union des femmes pour la défense de Paris et les soins aux blessés“ (Frauenunion für die Verteidigung von Paris und die Versorgung der Verwundeten). Dieser Verband wurde am 11. April 1871 in einem Café im Stadtteil Marais gegründet. Er bestand nur sechs Wochen lang und veröffentlichte in dieser Zeit zwei Manifeste und eine Adresse an die Exekutivkommission der Kommune, nach unterschiedlichen Forschungen sollen der Union etwa 300 oder etwas über 1000 Frauen angehören haben. Sie trat für Rechte der Arbeiterinnen, gleiche Löhne, Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Frauen und ihre finanzielle Unabhängigkeit ein. Unter den Gründerinnen waren Nathalie Lemel und Élisabeth Dmitrieff.
[iv] Élisabeth Dmitrieff (1851‒1910 oder 1918?), geboren als Jelisawjeta Lukinitschna Kuschelewa, war die Tochter eines adligen Grundbesitzers und einer lutherischen Krankenschwester, 1868 reiste sie in die Schweiz, wo sie Mitbegründerin der russischen Sektion der I. Internationale, der IAA, wurde, die Genfer Internationalisten schickten sie im November 1870 nach London zu Karl Marx, wo sie drei Monate verbrachte, bis sie im März 1871 als Repräsentantin des Generalrats der Internationale in das revolutionäre Paris geschickt wurde, Ende Mai kämpfte sie während der „Blutwoche“ an einer Barrikade. Nach der Kommune konnte sie zusammen mit Leo Frankel nach Genf fliehen, im Oktober 1871 kehrte sie nach Russland zurück.
[v] Louise Michel (1830–1905) war Lehrerin und Revolutionärin, sie wurde im Dezember 1871 nach der Niederlage der Kommune von einem Kriegsgericht zunächst zum Tode, dann zu Festungshaft verurteilt und 1873 nach Neukaledonien verbannt, nach der Rückkehr aus der Verbannung 1880 schloss sie sich der anarchistischen Bewegung an.
Seit kurzem liegen mehrere Schriften von ihr auf Deutsch vor:
Memoiren, [aus dem Französischen übersetzt von Claude Acinde], hrsg. von Jörn Essig-Gutschmidt, Münster: Unrast, 2017, (Klassiker der Sozialrevolte, Bd. 27), 368 S., ISBN 978-3-89771-925-5, € 16,00, https://www.unrast-verlag.de/gesamtprogramm/reihen/klassiker-der-sozialrevolte/memoiren-detail.
Texte und Reden, hrsg. von Eva Geber, Wien: bahoe books, 2019, 125 S., ISBN 978-3-903022-86-7, € 14,00, http://www.bahoebooks.net/start_de.php?action=201&id=86.
Die Pariser Commune, aus dem Französischen übersetzt von Veronika Berger, Gedichte aus dem Französischen übersetzt von Eva Geber, Wien: Mandelbaum, 2020, 415 S., ISBN 978-3-85476-882-1. ‒ € 28,00, https://www.mandelbaum.at/buecher/louise-michel/die-pariser-commune/.
Über sie: Florence Hervé (Hrsg.), Louise Michel oder: Die Liebe zur Revolution, Berlin: Karl Dietz Verlag, 2021, (Biographische Miniaturen). ‒ 136 S., ISBN 978-3-320-02381-2, € 12,00, https://dietzberlin.de/produkt/louise-michel-oder-die-liebe-zur-revolution/.
[vi] Kristin Ross, L’imaginaire de la Commune, Paris: La Fabrique, 2015.
Originalausgabe: Kristin Ross, Communal Luxury. The Political Imaginary of the Paris Commune, London u. New York: Verso, 2015.
Dt. Ausg.: Kristin Ross, Luxus für alle. Die politische Gedankenwelt der Pariser Commune, aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Felix Kurz, Berlin: Matthes & Seitz, 2021, 203 S., ISBN 978-3-75180-324-3, € 20,00, https://www.matthes-seitz-berlin.de/buch/luxus-fuer-alle.html.
[vii] Leo Frankel (1844‒1896) war ein deutsch-ungarischer Sozialist, er arbeitete als Goldschmied und Journalist, wurde 1867 in Lyon Mitglied der Internationalen Arbeiter-Assoziation, während der Kommune wurde er Ende März in den „Conseil de la Commune“ (die revolutionäre Regierung) gewählt und im April zum „délégué au travail, à lʼindustrie et à lʼéchange“ (Delegierter für Arbeit, Industrie und Handel) ernannt, damit war er faktisch der erste „Arbeitsminister“ (Victor Adler) des ersten Arbeiterstaates, konnte nach der Niederschlagung über die Schweiz nach London fliehen, wurde im August 1871 in den Generalrat der IAA und im September zum korrespondierenden Sekretär für Österreich und Ungarn gewählt, war 1880 an der Gründung der Ungarländischen Allgemeinen Arbeiterpartei beteiligt, nahm 1889, 1891 und 1893 an den Kongressen der Zweiten Internationale teil.