Ja zum Kommunismus – Nein zum Putinismus!
Die NATO ist eine von den USA dominierte imperialistische Organisation, die für unzählige Angriffskriege verantwortlich ist. Die Auflösung dieses vom Kalten Krieg in die Welt gesetzten politisch-militärischen Monsters ist eine elementare demokratische Aufgabe. Seine Schwächung in den vergangenen Jahren hat Emmanuel Macron, den neoliberalen französischen Präsidenten, 2019 dazu veranlasst, zu erklären, das Bündnis sei „hirntot“. Leider hat der kriminelle Einmarsch Russlands in die Ukraine der NATO neue Lebenskraft eingehaucht. Einige neutrale Länder (Schweden, Finnland u. a.) überlegen, der NATO beizutreten; US-amerikanische Truppen werden in großer Zahl in Europa stationiert; Deutschland, das es noch vor zwei Jahren trotz des großen Drucks von Donald Trump ablehnte, seinen Militärhaushalt zu erhöhen, hat entschieden, 100 Milliarden Euro in die Aufrüstung zu stecken. Und so weiter und so fort. Wladimir Putin hat die NATO vor ihrem langsamen Niedergang, ja gar ihrem Verschwinden bewahrt.
Warum dieser Überfall auf die Ukraine? Solange Putin die russischsprachige Minderheit in der Region Donezk schützen wollte, gab es in seiner Politik noch eine gewisse Rationalität. Das gilt auch für seine Opposition gegen die NATO-Osterweiterung. Aber sein brutaler Überfall auf die Ukraine mit seinem Rattenschwanz an Städtebombardements mit Tausenden zivilen Opfern, darunter alte Leute, Frauen und Kinder, hat nicht die geringste Berechtigung.
Mit welchen Argumenten versucht Putin, diesen verbrecherischen Krieg gegen das ukrainische Volk zu rechtfertigen? Das Argument der „Entnazifizierung“ der Ukraine hat weder Hand noch Fuß. Das ukrainische Volk hat mit Wolodymyr Selenski einen Juden zum Präsidenten gewählt, der sich stolz zu seinem Großvater bekennt, der in den Reihen der Roten Armee gegen den Nazismus gekämpft hat. Gewiss, es gibt in der Ukraine neonazistische Gruppen und Parteien, aber bei den letzten Wahlen haben sie nicht mehr als 3% der Stimmen bekommen. Ähnliche Gruppen gibt es in Russland. Wie kann Putin behaupten, Antifaschist zu sein, wenn er mehrere neofaschistische Parteien in Europa politisch und finanziell unterstützt, etwa den Front National der Le Pen-Familie in Frankreich oder die Lega Nord von Matteo Salvini in Italien? L’Humanité, die Zeitung der französischen Kommunistischen Partei, hat dazu am 22. März 2022 unter dem Titel Die radikale Rechte und Putin ein ganzes Dossier veröffentlicht…
Die andere „Rechtfertigung“ findet sich in Putins Rede vom 22. Februar 2022. Dem russischen Staatschef zufolge wurde die Ukraine „voll und ganz und ohne jede Einschränkung von Russland geschaffen, genauer: vom bolschewistischen, kommunistischen Russland“, denn „Lenin und seine Genossen“ haben die Ukraine von Russland „abgetrennt und abgestoßen“. Die Ukraine könne man „mit Fug und Recht als Vladimir-Lenin-Ukraine bezeichnen“, denn „er ist ihr Erfinder und ihr Architekt.“ Lenin war es, der das desaströse „Selbstbestimmungsrecht der Völker bis hin zur Abspaltung“ erfunden hat, das zur „Basis der sowjetischen Staatlichkeit“ wurde – ein absurdes Zugeständnis an die Nationalisten der verschiedenen Republiken, die nach der Revolution von 1917 gebildet wurden. Diesen Republiken das Recht einzuräumen, sich vom russischen Staat zu trennen, war Putin zufolge „völliger Irrsinn“, etwas, das sich „überhaupt nicht erklären lässt“, eine wirkliche Zerstörung des „historischen [d. h. zaristischen] Russlands“. Sich an die ukrainischen Führer wendend, sagt Putin: Ihr wollt eine „Überwindung des Kommunismus“, aber ihr bleibt auf halbem Weg stehen. Auf sein Projekt der gewaltsamen Wiedereingliederung der Ukraine in den russischen Staat anspielend, fährt er dann fort: „Wir zeigen euch gerne, was eine echte Überwindung des Kommunismus für die Ukraine bedeutet.“
So sieht also Putins „Rechtfertigung“ des Einmarsches in die Ukraine aus: antikommunistische und antileninistische Argumente und der Ehrgeiz, durch die Einverleibung der Ukraine das vor-bolschewistische „historische Russland“, das heißt das zaristische Russland, wiederherzustellen. Nicht zufällig hat die große Mehrheit der kommunistischen Parteien der Welt, darunter selbst die mit der größten Nostalgie gegenüber dem sowjetischen Sozialismus wie die griechische oder die chilenische KP, den russischen Einmarsch in die Ukraine verurteilt. Man kann an der heutigen Ukraine vieles kritisieren: mangelhafte Demokratie, Unterdrückung der russischsprachigen Minderheit, Verherrlichung des Westens etc. pp. Aber das Recht, sich gegen die unter krasser, krimineller Missachtung des Selbstbestimmungsrechts der Völker vollzogene russische Invasion seines Territoriums zu wehren, kann man dem ukrainischen Volk nicht streitig machen.
Entweder Kommunismus oder Putinismus, entweder Wladimir Iljitsch oder Wladimir Putin, entweder Selbstbestimmungsrecht der Nationen oder Recht der Imperien auf Invasion und Annexion anderer Länder: Entscheide jeder selbst, was er vorzieht, aber die Optionen sind unvereinbar.
Hoffen wir, dass sich die Völker Europas und Russlands eines Tages von ihren parasitären kapitalistischen Oligarchien befreit haben werden. Das war der Vorschlag der Revolutionäre des Roten Oktober 1917.
Quelle: Blog von Michael Löwy auf der Website der Internet-Zeitung MEDIAPART, 30.3.2022. https://blogs.mediapart.fr/michael-lowy/blog/300322/communisme-oui-poutinisme-non.
Aus dem Französischen von H.L. für die Webseite der ISO