Internationaler Frauentag 2023: Kundgebungen und Demonstrationen auf der ganzen Welt

Die feministische Bewegung ist in den letzten Jahren weltweit gewachsen; sie versucht, den 8. März von den bürgerlichen Kräften „zurückzuerobern“, die versuchen, ihn in einen „Feiertag“ zu verwandeln, an dem Männer den Frauen Rosen schenken und sie für einen Tag von der Hausarbeit befreien.

So versuchten am 8. März dieses Jahres Millionen von Menschen auf der ganzen Welt, dem Internationalen Frauentag den Charakter zu geben, den er verdient: mit militanten Demonstrationen und durch Forderungen des Kampfes gegen Sexismus, Diskriminierung und Ungleichheit.

In dem nachstehenden Bericht werden nur einige Beispiele dieses Kampfes aufgezeigt, der natürlich in den einzelnen Ländern unterschiedliche Formen annimmt.

Wo Proteste kriminalisiert werden

Seit fünf Jahren organisieren feministische Gruppen in Pakistan Mobilisierungen zum Internationalen Frauentag, wohl wissend, dass sie von der Polizei angegriffen werden könnten.

In Lahore nahmen rund 2.000 Frauen an den Demonstrationen teil, obwohl die Behörden versuchten, die Kundgebungen zu verbieten und sich weigerten, für Sicherheit zu sorgen. Die Kundgebungen zum 8. März sind häufig Ziel von Angriffen und „Gegendemonstrationen“, den sogenannten „Hijab-Märschen“ die von fanatischen religiösen Gruppen organisiert werden.

Auch in Islamabad konnte die Polizei den Protest nicht verhindern, obwohl sie den Zugang zum Kundgebungsort mit Containern versperrte und versuchte, die umliegenden Gebiete abzuriegeln. Dutzende kamen singend, klatschend und skandierend zu der Demonstration: „Frauen sind aufgewacht!“

Eine verbreitete Maßnahme, die zur Verhinderung der Ausbreitung des Covid-19-Virus ergriffen wurde, war das Verbot von Demonstrationen. In Hongkong sind die Blockaden nun beendet, aber die Polizei scheint dieses Verbot weiter als Drohung zu benutzen, um den von der Hong Kong Women Workers‘ Association (HKWWA)[1] organisierten Protest zu verhindern. Gleichzeitig forderten Frauenorganisationen in China die Regierung auf, die vier Frauen freizulassen, die während der „Proteste mit weißen Blättern“[2] im November und Dezember 2022 inhaftiert worden waren, die Anklagen gegen alle anderen Personen in China (darunter viele Frauen) wegen freier Meinungsäußerung fallen zu lassen und die Berichterstattung über die Covid-19-Pandemie nicht länger zu unterdrücken.

„Unser Widerstand ist nicht aus Sand, er wird nicht zusammenbrechen wie eure Gebäude“

Heuer wurde der Internationale Frauentag in der Türkei aufgrund der schweren Erdbeben, die 11 Provinzen heimsuchten und rund 50.000 Menschen in den Tod rissen, auf bittere Weise gefeiert. In Hatay, einer der am stärksten vom Erdbeben betroffenen Provinzen, gingen Frauen inmitten der Trümmer ihrer Häuser, Straßen und ihres Lebens auf die Straße und demonstrierten unter dem Motto „Wir werden das Leben wieder aufbauen“. Auch in Großstädten wie Ankara, Istanbul, Adana, Izmir und Bursa wurden Demonstrationen und Nachtmärsche organisiert.

Im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen am 14. Mai wurden die Proteste vom 8. März auch mit Forderungen im Zusammenhang mit dem Erdbeben verbunden. Auf den Kundgebungen wurden Spruchbänder getragen wie „Diejenigen, die für die Ruinen verantwortlich sind, werden selbst zu Ruinen werden“ und „Die Stütze des Hauses ist die Säule, (nicht der Mann)“.

In Ankara war der Protest größer als in den Vorjahren und wurde von der Polizei zeitweise mit Gewalt begegnet. In Istanbul verweigerte die Polizei lange Zeit den Zutritt zu den Versammlungsorten. Sie griffen die Teilnehmer*innen körperlich an und hielten sie fest. Trotz der Repressionen gelang es dem „21. Nachtmarsch in Istanbul“, sich auf einem Platz zu versammeln. Gemeinsam skandierten die Demonstrant*innen (hoffentlich zum letzten Mal) in Richtung AKP-Regierung: „Unser Widerstand ist nicht aus Sand, er wird nicht zusammenbrechen wie eure Gebäude“.

Die Forderung nach Bestrafung der Verantwortlichen für den Einsturz der Gebäude in der Türkei war auch das Motto der Proteste am 8. März in Nordzypern. Rund 40 Kinder aus Zypern kamen in der Türkei ums Leben, und die Trauerzeit ist erst kürzlich zu Ende gegangen. Die Wut über ihren Verlust, gepaart mit der Verschlechterung des Lebensstandards der Menschen in Nordzypern aufgrund der neoliberalen Politik der Türkei, spiegelte sich in dem Marsch wider.

Kampf gegen das Lohngefälle

In Indonesien gingen Demonstrant*innen auf die Straße, um einen höheren Mindestlohn für Frauen zu fordern und gleichzeitig auf andere Probleme wie physische und psychische Gewalt gegen Frauen hinzuweisen.

Auch auf den Philippinen versammelten sich Hunderte von Demonstrant*innen aus Frauengruppen in Manila und forderten höhere Löhne und menschenwürdige Arbeitsplätze.

„Wir haben das größte geschlechtsspezifische Lohngefälle“, sagte Protestführerin Joms Salvador. „Wir erleben einen beispiellosen Anstieg der Zahl der Frauen, die ohne jeglichen Schutz in der Schattenwirtschaft tätig sind.“

In Japan, einem Land, das im letzten Jahr im globalen Bericht des Weltwirtschaftsforums bei der Gleichstellung der Geschlechter auf Platz 116 von 146 Ländern rangierte, demonstrierten Frauen für die einfache Forderung, ihren Nachnamen nach der Heirat behalten zu dürfen. Selbst nachdem sie zur Arbeit gehen mussten, räumt die Mehrheit (65 Prozent) der Frauen in Japan der Zeit für sich selbst eine niedrige Priorität ein als familiäre Pflichten zu erfüllen (verglichen mit 42 Prozent der Männer. Frauen übernehmen 80 Prozent des Kochens (verglichen mit 8 Prozent der Männer) und andere Aufgaben im Haushalt haben eine ähnliche Gewichtung. Die einzige Aufgabe, die Männer mehr als Frauen erledigen, war die Müllentsorgung (49 % zu 43 %).

Mobilisierung rund um den Globus

In vielen Ländern und Städten in ganz Europa fanden Demonstrationen statt, auch wenn sie in vielen Fällen nicht den Schwung der Vorjahre hatten. Das vielleicht bemerkenswerteste Beispiel ist Spanien, das als erstes Land in Europa einen feministischen Streik für den 8. März 2018 organisierte. In den darauffolgenden Jahren, wie auch in diesem Jahr, waren die Märsche am 8. März in Spanien beeindruckend, aber es gab keinen Streikaufruf, um sie zu ergänzen und ihnen eine breitere Dynamik zu verleihen. Zudem war die Bewegung in vielen Städten wegen der von der Regierung vorgeschlagenen neuen Gesetze über sexuelle Freiheit, sexuelle Gewalt und geschlechtliche Selbstbestimmung gespalten.

Trotzdem, der Grundstein für einen feministischen Streik wurde gelegt und die Diskussion darüber weltweit eröffnet.

Der 8. März wird in Rumänien in der Regel mit Blumen gefeiert; Männer schenken den Frauen in ihrem Leben Blumen; Unternehmen schenken ihren Kundinnen Blumen. Über diese unpolitische Feier hinaus fanden in den beiden größten Städten, Bukarest und Cluj, auch politische Proteste statt. In beiden Städten war die Hauptforderung, den Zugang zu den Angeboten zum Schwangerschaftsabbruch zu verteidigen, der durch Privatisierung und religiöse Einmischung bedroht ist.

Die Proteste wurden von einer Koalition feministischer NGOs unter den Slogans „Unsere Gebärmutter ist nicht für euren Profit da“ und „Kapitalismus tötet“ organisiert. Zu den Klängen des berühmten Widerstandslieds Bella Ciao forderten die Menschen Zugang zu Abtreibungsmöglichkeiten, Geburtenkontrolle und Sexualerziehung in der Schule. Die Forderungen wurden auf den Zugang zur Gesundheitsvorsorge für Frauen ausgeweitet, wie z.B. kostenlose HPV-Impfungen und -Tests und andere Präventionsmaßnahmen für die Sexualgesundheit, sowie auf die Nichtdiskriminierung von Frauen aus sozial schwachen Schichten und ethnischen und sexuellen Minderheiten.

Gewalt gegen Frauen, Ungleichheiten am Arbeitsplatz, Femizid und das Recht auf Abtreibung gehörten zu den zentralen Themen der diesjährigen Mobilisierungen, ebenso wie die Unterdrückung von Frauen im Iran und in Afghanistan.

Im Iran selbst sind sechs Monate seit der Ermordung der 22-jährigen Kurdin Mahsa (Jina) Amini vergangen, die an den Folgen der brutalen Übergriffe der so genannten Sittenpolizei des iranischen Regimes starb. Es waren der trotzige Widerstand und die Proteste der Frauen, insbesondere der jungen Frauen, die mit ihrem mutigen und selbstlosen Kampf diesem Aufstand einen so explosiven und radikalen Charakter verliehen. Irans furchtlose Frauen, die in noch nie dagewesener Zahl auf die Straße gingen, motivierten Millionen von Menschen aus allen Klassen und Schichten im ganzen Land, sich der blutgetränkten kapitalistischen Diktatur entgegenzustellen.

Bei diesem Aufstand waren die Frauen die ersten, die protestierten und sie spielten eine zentrale Rolle bei den Demonstrationen auf der Straße und an den Universitäten. Zehntausende von Schülerinnen waren auch in ihren Schulen und in ihren Wohnvierteln überaus aktiv. Sie verjagten sogar Regimebeamte aus ihren Schulen! Damit begann die bedeutendste und nachhaltigste Protestbewegung in der Geschichte des derzeitigen Regimes. Die iranische Jugend, die nationalen Minderheiten und viele andere Schichten haben mutige und heldenhafte Aktionen durchgeführt. Die Beschäftigten vieler Branchen streikten – auch in der Öl-, Gas- und petrochemischen Industrie in Khuzestan.

Heute schlägt das Regime zurück, um sich an Schulmädchen zu rächen, die zu Zehntausenden gegen Diskriminierung, Ungleichheit und das Fehlen grundlegender Rechte protestiert haben. Es wendet dabei eine neue Taktik an, die von der Taliban-Regierung in Afghanistan abgekupfert wurde. Das iranische Regime hat inzwischen Hunderte von Schulmädchen in Teheran, Karaj, Qom, Rasht, Esfahan, Orumiyeh, Arak, Borujerd, Zanjan, Hamadan, Lahijan, Ilam, Safadasht, Shahryar und anderen Städten vergiftet.

Am 7. März wurde zu einer landesweiten Demonstration aufgerufen, um gegen die Vergiftung hunderter Schülerinnen durch das iranische Regime zu protestieren, die in vielen Städten stattfand. Viele Eltern und Lehrer nahmen an diesen Protesten gegen diesen „chemischen Terrorismus“ teil.

Unser Kampf, die Welt so zu verändern, dass es in keinem Winkel der Welt Unterdrücker und Unterdrückte gibt, ist dringender denn je.

Der Weg nach vorn

Der diesjährige Internationale Frauentag hat berufstätige Frauen und Männer in eine widersprüchliche Situation gebracht. Einerseits haben wir mit der Aufhebung des Urteils Roe vs. Wade in den USA eine bittere Niederlage erlitten, die Auswirkungen auf die Frauenpolitik in vielen Ländern hat. In den meisten Ländern stehen Versuche, bestehende Rechte der Frauen einzuschränken und offene Angriffe auf der Tagesordnung. Auf der anderen Seite haben wir den äußerst dynamischen Aufstand im Iran, der von jungen Frauen gegen das repressive System angezettelt wurde und der von der arbeitenden Bevölkerung und den ärmsten Schichten des Landes breit unterstützt wird. Die weltweiten Solidaritätsbekundungen und Aufrufe haben gezeigt, dass die Bewegung immer noch bereit ist zu kämpfen.

Die Erfahrung zahlreicher feministischer Bewegungen ist eindeutig: Um unsere Forderungen durchzusetzen, brauchen wir massenhafte und gut organisierte Kämpfe. Um unsere Rechte zu erhalten, müssen wir ständig auf der Hut sein, immer bereit, sie zu verteidigen. Um die strukturellen Ungleichheiten ein für alle Mal zu beseitigen, müssen wir das kapitalistische System, das sie hervorbringt, loswerden.

In diesem Jahr sind die oben genannten Schlussfolgerungen in Griechenland noch deutlicher geworden. Hier wurde der 8. März in einen Protest für die Rechte der Frauen und gegen die Regierung und das System, das für das verbrecherische Zugunglück in Tempi verantwortlich ist, umgewandelt.

Diese Kämpfe haben einen gemeinsamen Feind: das System des Profits und der Ausbeutung. Wir müssen den Kampf gegen dieses System organisieren!


[1] Für diejenigen, die chinesisch lesen können: https://hkwwa.org.hk/

[2] Im November 2022 gingen Tausende von Menschen in ganz China, darunter in Städten wie Shanghai, Peking, Chengdu und Wuhan, auf die Straße, um gegen die harten Covid-19-Maßnahmen der Regierung zu protestieren und die autoritäre Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas anzuprangern. Die Demonstrant*innen hielten leere Blätter in der Hand – daher der Name Proteste mit „weißen Blättern“, Proteste mit „blank papers“ – und skandierten Slogans wie „Schluss mit Null-Covid“, „Wir wollen Menschenrechte“ und „Nieder mit der Kommunistischen Partei!“


Quelle: International Vievpoint
Übersetzung: CN