Für Paul – eine Dankrede

Was war Paul für uns? In zwei Worte gefasst: ein Lehrer und ein treuer Weggefährte.

Ein Lehrer war er durchaus im Sinne von Bert Brecht:

„Er hat gelehrt… Dass das weiche Wasser in Bewegung
Mit der Zeit den mächtigen Stein besiegt.
Du verstehst, das Harte unterliegt.“

Wer wen besiegt, interessierte damals den Zöllner, dem Brecht in diesem Gedicht ein Denkmal setzt, weil er dem Weisen seine Weisheit entreißt. Es interessiert uns heute immer noch.

Wer wen besiegt, interessierte damals den Zöllner, dem Brecht in diesem Gedicht ein Denkmal setzt, weil er dem Weisen seine Weisheit entreißt. Es interessiert uns heute immer noch.

Paul musste man die Weisheit nicht entreißen, er gab sie ganz freiwillig preis. Ihm war es ein Bedürfnis, sein umfangreiches Wissen mitzuteilen, auch im persönlichen Gespräch, außerhalb von Veranstaltungen. Und es bereitete ihm eine diebische Freude, Lieblingsfeinde wie etwa Hans Werner Sinn in den Senkel zu stellen und mit geistigen Waffen aus dem Feld zu schlagen. Und wir waren dankbar, dass einer von uns tat, was wir selber nicht konnten.

Wie viele Berufe, hat auch der Lehrer eine Berufskrankheit – das ist der Oberlehrer. Das hat Paul vielfach den Ruf eingebracht, arrogant zu sein. Arrogant übersetzt sich mit anmaßend, überheblich. Das war Paul nicht. Er wusste es zuweilen besser, aber er hielt sich deswegen nicht für etwas Besseres. An sich selbst war er bescheiden und großzügig. Er wollte mit seinem Wissen nicht glänzen, sondern anderen helfen, die Welt zu verstehen. Er hat uns Orientierung gegeben.

Seine Rolle war in der ISO keine andere als in der Linken insgesamt: Artikel schreiben, Vorträge halten, Bücher herausgeben. Die SoZ hat einen Starautor verloren, der zugleich ein Starverkäufer war: Ihn konnte ich fragen: Hegel wird dieses Jahr 250, schreibst du mir was darüber? Paul schrieb. Einen zweiten von dieser Sorte habe ich nicht. Der Neue ISP-Verlag wird sich ohne ihn kaum halten können. Die allwöchentlichen Kurse über aktuelle politische Fragen an der  Volkshochschule wird es auch nicht mehr geben. Die Ortsgruppe weint – die Lücke ist groß.

Paul hätte mit seinen Fähigkeiten auch etwas anderes werden können als der unermüdliche Propagandist im Dienste einer winzigen Organisation, die ihn Arbeit und Geld gekostet hat und eine scheinbar aussichtslose Sache vertritt. Das hat ihn aber nicht gestört; er war bei uns, weil diese scheinbar aussichtslose Sache seinem Leben einen Sinn gegeben hat.

Das gibt uns Hoffnung: dass die Verhältnisse bei all ihrer Unmenschlichkeit doch immer wieder solche Menschen hervorbringen, die sich dem Zerstörungswerk widersetzen, weil sie Menschen bleiben wollen. Sie sind es, die die Geschichte voranbringen. Paul hat der Stimme der Unbeugsamkeit und Solidarität Gehör verschafft – dafür danken wir ihm.

Und es danken ihm viele seine tätige internationale Solidarität. Internationalismus war die Basis von Pauls Blicks auf die Welt, seiner politischen Überzeugung und seiner politischen Tätigkeit. Ob es Druckmaschinen nach Polen waren im Sommer der Solidarität 1980 oder Medikamente für die Soziale Klinik in Athen: Paul konnte organisieren und tat dies mit Leidenschaft, wenn es um einen konkreten Zweck ging. Er war praktisch veranlagt, stand mit beiden Beinen im Leben.

Ein letztes Wort möchte ich zu seinem Schnauzbart sagen: Er brachte zum Ausdruck, wie Paul sich selber sah und was er sein wollte: ein rechtes Mannsbild. Auch das war nicht immer leicht zu ertragen. Da überrascht es einen doch, dass ein feministisches Urgestein wie Gisela Notz mir auf die Nachricht seines Todes hin sagt: Paul, der hat schon Bücher über Sozialistinnen geschrieben, wo ich noch gar nicht daran gedacht habe. Und als ich in Bonn gearbeitet habe, kam er mich besuchen, wenn er in der Gegend war.

Man kann über den Schnauzbart trefflich philosophieren, das muss ich mir an dieser Stelle verkneifen. Ich möchte schließen mit der Bemerkung eines anderen treuen Freundes, der schrieb:

„Ich mochte an Paul seine Großzügigkeit, seine Geduld, ja auch teilweise seinen Humor, wenn er schlau und quasi augenzwinkernd hinter seinem Schnauzbart und aus seinen listigen Augen auf uns blickte und etwas hintergründig lächelte. Ein Fels in der Brandung.“

Es tut gut und wir können uns glücklich schätzen, solche Menschen in unseren Reihen gehabt zu haben und zu haben.

Paul, wir danken dir!

13.10.2021

München, Ostfriedhof