Donald Trump, Totengräber der US-Demokratie
Von Helmut Dahmer | 05.04.2025
Das industriell entwickeltere Land zeigt dem minder entwickelten nur das Bild der eignen Zukunft.“ (Marx, 1867.)
„Was in den USA gerade geschieht, ist eine Warnung für alle westlichen Demokratien.“ (M. von Rohr, 2016.)
„When shall we three meet again / In thunder, lightning or in rain? / When the hurly-burly’s done, / When the battle᾿s lost and won.“ „Wann kommen wir drei uns wieder entgegen, / Im Blitz und Donner, oder im Regen? / Wenn der Wirrwarr stille schweigt, / Wer der Sieger ist, sich zeigt.“
Die „Drei“, von denen da die Rede ist, kennt inzwischen fast jeder. Allerdings geht es heutzutage nicht um „Hexen“, eher schon um Hexenmeister und ihre Lehrlinge, nämlich um das Triumvirat Trump, Vance und Musk. Was jedoch Shakespeares Hexen (die die Tragödie des Macbeth einfädeln) und den neuen amerikanischen „Ubu Roi“ und seine Vasallen verbindet, ist der ihnen gemeinsame Wahlspruch: „Fair is foul, and foul is fair; / Hover through the fog and filthy air.“ „Schön ist häßlich, häßlich schön: / Schwebt durch Dunst und Nebelhöh’n!“
Vor kurzem trafen sich im Nebel von Falschnachrichten und in der dicken Luft „alternativer Fakten“ der gescheiterte Putschist und kandidierende Diktator POTUS I., Donald, und der ukrainische Kriegspräsident Selenski, dessen Armee mit Hilfe von Geld und Waffen europäischer Staaten und der USA seit drei Jahren die staatliche Unabhängigkeit der Ukraine gegen Armeen russischer Kolonisatoren und deren Hilfstruppen verteidigt. Der amtierende „Dealer“ Trump, der schon für den israelischen „Vergeltungs“-Krieg im Gazastreifen und in der Westbank die Patent-Lösung vorgeschlagen hat, die dort lebende palästinensische Bevölkerung nach Ägypten (bzw. Jordanien) zu deportieren, den von der israelischen Vergeltungs-Armee unbewohnbar gemachten Gazastreifen zu kaufen und dort eine neue „Riviera“ für anspruchsvolle Touristen einzurichten, dieser Alleskönner hat natürlich auch für den Ukraine-Krieg längst eine „Lösung“ parat: Als Preis für einen baldigen Waffenstillstand dort schwebt ihm zum einen vor, die vom Krieg ruinierte Ostukraine samt der Krim seinem Amtskollegen im Kreml zuzuschanzen, zum andern, die der Ukraine unter Präsident Biden geleistete Kriegs- und Finanzhilfe (sowie eine mögliche künftige Verteidigungshilfe) gegen ukrainische Bodenschätze zu tauschen, deren Abbau und profitable Verwertung dann vornehmlich US-Konzernen zufallen soll.
POTUS ist erst sechs Wochen wieder an der Macht und präsentiert sich, wie zu erwarten, als ein Gulliver unter lauter Liliputanern. Die Dynamik der „Weltpolitik“ kennt keinen Fortschritt: Ausdruck des Weltmarkts, folgt sie dessen „Gesetzen“, dem Konkurrenz-Kampf aller gegen alle, der zunehmenden Konzentration der Produktions- und Destruktionsmacht in wenigen, „autoritär“ geführten Staaten und Händen und der Diktatur der ökonomisch und militärisch Stärkeren über ihre Schuldner-Klientel.
Staunend blicken Pessimisten und Optimisten auf diese Wiederkehr längst vergangen geglaubter Verhältnisse. Wenn Trump und Putin miteinander telefonieren oder sich in Saudi-Arabien treffen, wenn Chi Putin in Moskau besucht oder Macron Trump in Washington, dann werden „Sicherheitskonferenzen“ (wie die kürzlich in München abgehaltene 61.), an denen dutzende Staatschefs und 150 Ministerinnen und Minister teilnehmen, zur Farce.
Intellektuelle und Historiker erinnern sich früherer Weltaufteilungs-Konferenzen, etwa der Bismarck‘schen von 1884, auf der die europäischen Kolonialmächte den afrikanischen Kontinent folgenreich zerpflückten, oder der Konferenzen von Teheran, Jalta und Potsdam, auf denen 1943 und 1945 die Siegermächte nicht nur Nazi-Deutschland unter sich aufteilten, sondern (ebenso folgenreich) auch gleich noch Osteuropa. Wer die aktuelle Situation (national und international) verstehen will, ist gut beraten, die Imperialismus-Analysen der Hilferding und Luxemburg, Lenin, Bucharin und Grossmann wieder zur Hand zu nehmen.
Außenpolitisch scheinen Trump und sein Stab künftig auf die Fortsetzung fruchtloser Engagements und aussichtsloser Kriege verzichten zu wollen. Gegenüber der Russischen Föderation und ihrem „Führer“, dem Stalinisten im Kreml, setzen sie auf die Räuber-Solidarität, also auf wechselseitige Imitation, Überbietung und „Verständigung“; in traditionellen „westlichen Werten“, „Pluralismus“ und in dem vor 100 Jahren vom Revolutionär Trotzki, dann vom damaligen US-Präsidenten Wilson proklamierten „Selbstbestimmungsrecht“ kleinerer Nationen sehen sie ein lästiges Hindernis für die Durchsetzung ihrer Interessen und in der expansiven Arrondierung des eigenen Herrschaftsbereichs eine überfällige, weil höchst profitable Notwendigkeit. Was dem einen die vormaligen Provinzen des Zarenreichs sind – Ziele künftiger Okkupation –, sind dem andern Grönland, Kanada und Panama. Innenpolitisch entspricht diesem Arrondierungs-Imperialismus die Ablösung der parlamentarischen durch eine „plebiszitäre Führerdemokratie“ im Sinne von Max Weber. In den der amerikanischen Demokratie gewidmeten Passagen der Weber‘schen Herrschafts-Typologie nimmt sich die zweihundert Jahre alte Beute-Praxis der „Bosse“ wie eine Blaupause der aktuellen Trumpschen Personalpolitik aus:
„Das spoils system – [die Übergabe] aller Bundesämter an die Gefolgschaft des [jeweils] siegreichen Kandidaten – bedeutet für die Parteibildung, daß gesinnungslose Parteien einander gegenüberstehen, reine Stellenjägerorganisationen, die für den einzelnen Wahlkampf ihre wechselnden Programme je nach der Chance des Stimmenfanges machen. […] Die Parteien sind ganz und gar zugeschnitten auf den für die Amtspatronage wichtigsten Wahlkampf: den um die Präsidentschaft der Union und um die Governorstellen der Einzelstaaten. […] Diejenige Figur nun, die mit diesem System der plebiszitären Parteimaschine auf der Bildfläche erscheint, ist: der ‚Boss‘. Der Boss ist ein politischer kapitalistischer Unternehmer, der für seine Rechnung und Gefahr Wahlstimmen herbeischafft. [Er] ist unentbehrlich für die Organisation der Partei. Die liegt zentralisiert in seiner Hand. Er beschafft sehr wesentlich die Mittel. […] Wer eines der zahlreichen Gesetze ungestraft verletzen will, bedarf der Konnivenz [Nachsichtigkeit] des Bosses und muss sie bezahlen. Sonst erwachsen ihm unweigerlich Unannehmlichkeiten. […] Der Boss ist unentbehrlich als direkter Empfänger des Geldes der großen Finanzmagnaten. [Er] ist selbstverständlich der Mann derjenigen kapitalistischen Kreise, welche die Wahl finanzieren. […] Er sucht ausschließlich Macht, Macht als Geldquelle, aber auch: um ihrer selbst willen.“
Trump, erfolgreicher Entertainer, weniger erfolgreicher Immobilien-Tycoon, Ex-Präsident und vermeintlicher Heilsbringer für viele Millionen amerikanischer Wählerinnen und Wähler, hat sich für seine zweite Amtszeit eine Art Alter Ego [Zweites Ich] zugelegt, den Finanzkapitalisten und Technik-Freak Elon Musk, der als reichster Mann der Welt gilt und von Trump beauftragt wurde, den bestehenden Verwaltungsapparat durch ein Heer von Loyalisten zu ersetzen. Musk und der zum Trumpismus konvertierte Vizepräsident Vance sind nicht nur Fürsprecher Putins, sondern auch deutscher Faschisten, die, ihrer Meinung nach, zu wenig Gehör finden. Beide Trump-Assistenten hatten jetzt ihre Auftritte in zwei von Trump (als „großes Fernsehen!“) arrangierten Schlüsselszenen, in deren erster, nämlich der ersten Sitzung des Trump-Kabinetts, Musk als ein etwas unheimlicher, schwarz gekleideter, hinter den Ministern stehender Beobachter, Kontrolleur und Plauderer auftrat, als „Graue Eminenz“ oder „Elefant im Raum“, auf den der Präsident erst nach etwa 12 Minuten zu sprechen kam, als er in die Runde fragte, ob sich da etwa jemand, wegen Musks Anwesenheit, „unhappy“ fühle. Die andere „Doppelspitze“, der Präsident und sein Vize, hatten sich wohl verabredet, dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj ein für alle Mal klarzumachen, dass das eigentliche Ziel der amerikanischen Unterstützung für den Unabhängigkeitskampf der Ukraine die (künftige) Ausbeutung von deren Bodenschätzen, speziell der „seltenen Erden“, sei, und dass die „Verständigung“ mit dem Ex-KGB-Agenten im Kreml Vorrang habe, auch wenn sie mit einem Fünftel des ukrainischen Territoriums bezahlt werden müsse.
Hatte Trump zunächst einmal seinem Kabinett gezeigt, wer in den nächsten vier Jahren das Sagen haben werde, so zeigte er nun der TV-Weltöffentlichkeit im „Oval Office“ nicht nur, was er von Völkerrecht und Autonomie-Ansprüchen (der Ukraine oder Grönlands, Kanadas oder Panamas, zu schweigen von Gaza und der Westbank) hält, sondern mit wem sie es da eigentlich zu tun hat. Statt gleich zur Sache zu kommen – nämlich zum Kuhhandel mit seltenen ukrainischen Erden –, machten Trump und Vance erst einmal ihrem Unwillen über die vom „undankbaren“ Selenskyj stets wieder ins Spiel gebrachte Sicherheits-Garantie für die Ukraine Luft. Und – hast Du nicht gesehn, dann sollst Du sehn – wurde das „Oval Office“ zur Bühne eines (dann bald abgebrochenen) Rüpelspiels, in dem ein schreiender Wutbürger-Vater Trump, sekundiert von Onkel Vance, seinem missratenen Sohn Selenskyj die Leviten las und ihn zu enterben drohte. Der lebe auf Kosten des Papas, stelle unverschämte Ansprüche, habe aber in Wahrheit ganz „schlechte Karten“, wisse sich nicht zu benehmen und erscheine nicht einmal in ordentlichem Aufzug. (Zuruf aus dem Publikum, adressiert an Selenskyj: „Haben Sie überhaupt einen Anzug?“)12[10]
Ubu Roi, der Kommandeur der größten Militärmacht aller Zeiten, kann es sich leisten, coram publico [in aller Öffentlichkeit] vom Staatsmann zum Rumpelstilzchen zu mutieren. Seine Wähler, Wutbürger seinesgleichen, werden es ihm danken …
Der Artikel erschien zuerst (5.4.2025) auf der Website der ISO (Internationale Sozialistische Organisation): https://intersoz.org/donald-trump-totengraeber-der-us-demokratie/